1564 – 1616 England
In Übersetzungen von
1. Des Dichters
Widmung an den Grafen Southampton
(26)
Herr meiner Liebe,
der Du lehenseigen
Durch Dein
Verdienst Dir meine Treu’ gemacht,
Dir send’ ich diese
Botschaft, um zu zeigen
Dir meine Treu’,
nicht was mein Geist erdacht.
So große Treu’, daß
sie durch meinen armen
Und wortverlegnen
Geist erscheint ganz bloß
Doch hoffe ich, Du
nehmest voll Erbarmen
Die nackte auf in
Deiner Seele Schooß;
Bis jener Stern,
der meine Schritte lenket,
Huldvoll und
glückverheißend nach mir weist,
Und Kleidung meiner
nackten Liebe schenket,
Daß Deiner Achtung
man mich würdig preist:
Dann darf ich laut
von meiner Liebe sagen, -
Bis dann mich der
Dein prüfend Aug’ nicht wagen.
2. Der Dichter
sucht Southampton zur Ehe zu bewegen
(1)
Von schönsten Wesen
wünschen wir Vermehrung,
Damit der Schönheit
Rose nicht vergeh’
Und, da die reif’re
fällt der Zeit Verheerung,
Im zaten Sprößling
man ihr Abbild seh!
Doch Du, verlobt den
eignen süßen Blicken,
Nährst Deines
Lichtes Flamm’ mit Deinem Sein,
Schafft Noth, wo
Fülle wäre zum Erquicken;
Dein eigner Feind,
wirst Du Dir selbst zur Pein.
Du, den als frische
Zier der Welt wir haben,
Du, einz’ger Herold
für des Frühlings Reiz,
Hältst in der
Knospe all’ Dein Glück begraben,
Verwüstend, milder
Knicker, durch den Geiz.
Erbarme dich der
Welt, sonst wirst zerstören
Du mit dem Grab,
was soll der Welt gehören.
3. Der Dichter
sucht Southampton zur Ehe zu bewegen
(2)
Wenn vierzig Winter,
vor Dein Antlitz rückend,
Laufgräben ziehn in
Deiner Schönheit Plan,
Ist all Dein
Jugendstaat, jetzt so entzückend,
Ein Kleid in Fetzen
– niemand sieht’s mehr an.
Dann, würde man
nach deiner Schönheit fragen
Und nach dem
Schatz, den Deine Jugend hob,
„In Deinem
eingesunknen Aug’“, zu sagen,
Wär’ tiefe Schmach
und ungedeihlich Lob.
Wie wär’ der
Schönheit Nützung mehr zu preisen,
Könnt’st sagen Du:
hier dies mein schönes Kind
„Tilgt meine
Schuld, entlastet mich, den Greisen“ –
Das die vererbten Reize
Dein ja sind.
Wie neugeboren
sähst Du Dich, den Alten,
Und schautest warm
Dein Blut, fühl’st Du’s erkalten.
4. Der Dichter
sucht Southampton zur Ehe zu bewegen
(3)
Schau’ in den
Spiegel, sage Deinen Zügen,
Nun ist es Zeit,
daß sie erneuern sich.
Versäumst Du dies,
wirst Du die Welt betrügen
Und kommt ein Weib
um Mutterglück durch Dich.
Denn wo ist, die so
schön, daß sie erröthe,
Den keuschen Boden
Deiner Saat zu weihn?
Und wo der Thor,
der will, damit er tödte
Nachkommenschaft,
das Grab der selbstlieb’ sein?
Du bist der Spiegel
Deiner Mutter; blühen
Siehst sie in Dir
jetzt ihres Lebens Mai:
So siehst durch
Deines Alters Fenster glühen
Du Deine goldne
Zeit, wenn sie vorbei.
Doch selbst Du,
nicht Erinnrung zu vererben,
Stirb einzeln, und Dein
Bild wird mit Dir sterben.
5. Der Dichter
sucht Southampton zur Ehe zu bewegen
(4)
Fruchtlose
Lieblichkeit, warum verwenden
Der Schönheit Erbe,
daß es dein nur sei?
Es schenkt nicht
die Natur, sie leiht die Spenden
Freigebig Denen,
die im Geben frei.
Du schöner Geizer,
warum denn mißbrauchst Du
Den Reichthum, der
zum Geben Dir verliehn?
Nutzloser Wucherer,
warum verbrauchst Du
So großes Gut und
lebst doch schlecht hahin?
Denn da mit Dir nur
Du Verkehr willst halten,
Betrügst um’s süße
Selbst Du selbst Dich nur:
Wie wird sich Deine
Rechenschaft gestalten
Dann, wenn Dich
wieder abruft die Natur?
So unbenützt muß
schönheit mit Dir sterben,
Diem, wenn benützt,
lebt, selbst sich zu vererben.
6. Der Dichter
sucht Southampton zur Ehe zu bewegen
(5)
Die Stunden, die so
zart und sorgsam spannen
Das holde Bild, das
jedes Aug’ bestrickt,
Sie werden ihm
begegnen als Tyrannen,
Entschönend, was
als Schönstes uns erquickt.
Den Sommer treibt
die Zeit, die ruhelose,
Bis er im grausen
Winter untergeht;
Der saft gefriert,
entblättert ist die Rose,
Die Schönheit
überschneit, zerstört, verweht.
wenn dann Essenz
des sommers nicht geblieben
Als flüßige
Gefangne in Crystall,
Mit Schönheit wär’
der Schönheit Frucht vertrieben
Und, was sie war,
vergessen überall.
So raubt der Winter
Blumen, die gekläret,
Das Aussehn nur;
des Wesens Süße währet.
7. Der Dichter
sucht Southampton zur Ehe zu bewegen
(6)
Drum laß’ nicht
Winters rauhe Hand zerstören
In Dir den Sommer,
eh’ Du abgeklärt;
Versüße ein Gefäß,
laß’ ihm gehören
Der Schönheit
Schatz, eh’ er sich selbst verheert.
Das heißt ja nicht
verbotnen Wucher treiben,
Wenn froh und gern
man zahlet solches Lehn;
Schaff’ Dir ein
andres Du, um Dir zu bleiben,
Du, zehnmal
glücklich, sind’s statt einem zehn.
Ja! zehnmal glücklicher
wärst Du zu nennen,
Wenn Du in zehn der
Deinen zehnmal lägst:
was bliebe dann dem
Tod, mußt Du Dich trennen,
Da Du Dich auf die
Nachwelt überträgst?
Gib nach! Du bist
zu schön, um hinzusterben
Dem Tod zur Beute,
Würmer nur zu Erben!
8. Der Dichter
sucht Southampton zur Ehe zu bewegen
(7)
Sieh! wenn im Osten
hebt das Licht der Gnade
Sein Flammenhaupt
und neu am Himel steht,
Wie jedes Aug’
sucht huld’gend seine Pfade,
Mit Blicken dient
der heil’gen Majestät!
Und wenn’s erklomm
den Himmelsberg, den steilen,
Und gleicht dem
Mann in seiner vollsten Kraft –
Noch bleibt der
Blick auf seiner Schönheit weilen,
Fromm folgend
seiner goldnen Pilgerschaft.
Doch wankt von
höchster Höh’ mit müdem Wagen,
Wie altersschwach,
es aus dem Tage nun,
Verläßt das Aug’,
das zu ihm aufgeschlagen,
Die niede Bahn und
bleibt auf Andrem ruhn.
So stirbst Du,
gehst im Mnittag Du verloren,
Ganz unbemerkt,
wenn Dir kein Sohn geboren.
9. Der Dichter
sucht Southampton zur Ehe zu bewegen
(8)
Musik Du selbst – schmerzt
Dich’s musik zu hören?
Das süße haßt nicht
Süßes; Lust liebt Lust!
Warum liebst Du mit
Gram Dich zu bethören
Und hegst, was
peinigt, gern in Deiner Brust?
Wenn reiner Töne
Einklang Dich verdrießet,
So will ihr süßer
Bund nur Rüge sein
Dir, der sein Herz
der Harmonie verschließet
Und, sie
verscheuchend, trotzig bleibt allein.
Horch! wie die
Saiten in einander schwingen,
Die, einem Paare
gleich, verbunden sind,
So wie in einer
zarten Note singen,
Vereint und
glücklich, Vater, Mutter, Kind.
Wortloses Lied,
vielstimmig, Eins im Klange,
Singt’s Dir:
„allein wirst Du nicht zum Gesange!“
10. Der Dichter
sucht Southampton zur Ehe zu bewegen
(9)
Verzehrst Du denn
aus Furcht vor Wittwenthränen
Dich einsam? Ach!
stirb kinderlos allein,
So wird die Welt sich
klagend nah Dir sehnen,
Wie ein verlassen
weib in Trauer sein.
Die Welt wird Deine
Wittwe sein, wird weinen,
Daß ihr Du keine
Form von Dir vermacht,
Da jeder armen
Wittwe aus der Kleinen
Vergnügtem Aug’ des
Gatten bildniß lacht.
Sieh’, was
Vergeudung in der Welt verschwende
Tauscht nur den
Platz; die welt bleibt dessen froh.
Der Schönheit
Mißbrauch aber kommt zu ende,
Und, ungenützt,
wird sie vernichtet so.
Nicht Lieb’ zu
Andern kann der Busen nähren,
Der gegen sich kann
solche Mordlust kehren.
11. Der Dichter
sucht Southampton zur Ehe zu bewegen
(10)
O Schande! Daß Du
Niemand liebst, verneine,
Du, der für sich
nicht besser sorgen kann!
Daß Viele lieben
Dich ist wahr alleine;
Doch daß Du Niemand
liebst, sieht Jedermann.
So blut’ger Haß ist
jetzt in Dich gefahren,
Daß gegen Dich Du
selber Dich verschwörst
Und jenes schöne
Haus, das zu bewahren
Du streben
solltest, freventlich zerstörst.
Den Sinn, ach,
ändre! daß ich andrer Meinung.
Soll schöner wohnen
Haß, als Lieb’ es thut?
Sei gut und groß, wie
Du’s bist in Erscheinung;
Dir selber zeige
wenigstens Dich gut!
Schaff’ mir zu
Lieb’ Dein Selbst Dir, daß Du Leben
Durch Deine Kinder
kannst der Schönheit geben.
12. Der Dichter
sucht Southampton zur Ehe zu bewegen
(11)
So schnell Du
welkst, so schnell wächst Du im Sproßen
Aus dem hervor, von
dem Du Dich getrennt;
Das frische Blut,
das jung aus Dir geflossen,
Kannst Dein Du
heißen, wenn man alt dich nennt.
Hierin lebt
Weisheit, Schönheit und Vermehrung,
Im andern Thorheit,
Alter und Ruin:
Dein Grundsatz wär’
der Zeiten Grab, Verheerung;
In sechzig Jahren
wär’ die Welt dahin.
Laß Jene arm und
dürr, fruchtlos verwesen,
Die nicht zum
Mehren die Natur gemacht:
Mehr gab sie Dir
als denen, die erlesen,
Daß reich du
gebest, wie Du reich bedacht.
Zu ihrem Stempel
hat sie Dich erkoren,
Daß mehr Du prägst
und ihr nicht seist verloren.
13. Der Dichter
sucht Southampton zur Ehe zu bewegen
(12)
Wenn ich so zähl’
der Stundenglocke Schläge
Und sinken seh’ den
Tag in garst’ge Nacht,
Verblühen seh’ das
Veilchen an dem wege,
Ganz übersilbert
schwarzer Locken Pracht;
Manch stolzen
Baumes Blätterdach verschwunden,
Das Herden einst
beschützt vor Sonnenglut;
Des Sommers Grün in
Garben aufgebuden,
Wie’s strupp’gen
Bart’s nun auf der Bahre ruht:
Muß mich um Deine
Schönheit Sorg’ erfassen,
Daß in der Zeit
Verderb sie wird vergehn,
Da Schönheit,
Anmuth ja sich selbst verlassen
Und sterben, wie
sie andre wachsen sehn.
Es kann der
Schnitt’rin Zeit nur widerstehen,
Was Du gezeugt: Das
bleibt, heißt sie Dich gehen.
14. Der Dichter
sucht Southampton zur Ehe zu bewegen
(13)
Oh, daß Du Dir
gehörtest! Doch so lange
Nur bist Du Dein,
als Du hier Leben hast.
Drum sorge für dies
Ende, daß empfange
Dein süßes Bild ein
Andrer, eh’s verblaßt.
Die Schönheit
fände, die jetzt nur Dein Lehen,
Kein Ende dann:
nach Deinem Tode ja
Wärst Du, würde man
am Sprößling sehen
Die holde Form, die
man an Dir einst sah.
Wer läßt zerfallen
solche schöne Wohnung,
Die gegen
Wintersturm und nackte Wuth
Des ew’gen
Todesfrost’s durch weise Schonung
Sich halten ließe
ehrenvoll und gut?
Verschwender nur!
Du weißt, Dir hat geschlagen
Ein Vaterherz – laß
Deinen Sohn so sagen!
15. Der Dichter
sucht Southampton zur Ehe zu bewegen
(14)
Nicht auf die
Sterne ist mein Rath gegründet,
Und hab’ Astrologie
doch, deucht es mir;
Nur daß sie Unglück
nicht und Glück verkündet
Und Wetter,
Theurung, Noth für Mensch und Thier.
Auch kann ich nicht
den kurzen Stunden sagen
Vorher ihr Maß von
Sonne, Regen, Wind,
Noch aus dem himmel
sichre Kunde tragen
Den hohen Herrn, ob
sie begünstigt sind:
Aus Deinen Augen
zieh’ ich meine Lehren,
Und les’ in diesen
treuen Sternen klar:
Willst Du von Dir
zum Schaffen Dich bekehren,
Wird Wahrheit blühn
und Schönheit immerdar.
Sonst aber künd’
ich, daß mit Deinem Ende
Das Wahre wie das
Schöne hier verschwände.
16. Der Dichter
sucht Southampton zur Ehe zu bewegen
Wenn ich bedenk’,
daß alles Sein und Leben
Nur einen
Augenblick vollkommen bleibt,
Daß überall der
Sterne heimlich Weben
Nur Spieler einer
Riesenbühne treibt;
Wenn Menschen ich
wie Pflanzen wachsen sehe,
Wie sie der gleiche
Himmel nährt und fällt,
Wie sie so stolz im
jungen Saft, dann jähe
Verwelken, und bald
todt für ihre Welt:
Führt die
Betrachtung dieses wechselvollen
Daseins vor’s Aug’
mir Deine Jugendpracht,
Wie Deinen, jungen
Tag verwandeln wollen
Zeit und Verfall in
trübe, wüste Nacht;
Und kämpfend mit
der Zeit, schenk’ ich aus Liebe,
Wie sie Dich
schwächt, Dir neue Lebenstriebe.
17. Der Dichter
sucht Southampton zur Ehe zu bewegen
(16)
Doch warum nicht
bekämpfst mit stärkrer Waffe
Du diese blutige
Tyrannin Zeit,
Und hältst nicht
bessren Schutz, als ich Dir schaffe
Mit meinem Vers,
für den Verfall bereit?
Jetzt stehst du auf
der Höh’ von schönen Tagen,
Und mancher
Mädchengarten, keusch und mild,
Würd’ segnend Dir
lebend’ge Blüthen tragen,
Weit ähnlicher als
Dein gemaltes Bild.
So würden
Lebenslinien frisch gestalten
Das Leben, das
nicht meine Schülerhand,
Nicht unsre Kunst,
im Menschenaug’ erhalten
Kann schön und
edel, so, wie’s Dir entschwand.
Verschenken Dich,
erhält Dich; Du mußt eben,
Durch eigne süße
Kunst gezeichnet, leben.
18. Der Dichter
sucht Southampton zur Ehe zu bewegen
(17)
Wer glaubt wohl
künftig meinem Vers, erfüllet
ihn all Dein
höchster Werth? Und ist jetzt doch,
Der Himmel weiß,
ein Grab nur, das verhüllet
Dein Leben und
nicht halb Dich zeiget noch!
Wenn alle Deine
Reize ich befrüge,
Dein Auge schildern
könnte, Dein Gesicht, -
Das künft’ge Alter
spräche: „Das ist Lüge!
Solch’
Himmelsschmuck schmückt ird’sches Antlitz nicht!“
So würde mein
vergilbtes Blatt, gleich Greisen
Die wen’ger wahr
als schwatzhaft, ausgelacht,
Was wirklich Dein,
zu Dichterwuth, zu Weisen
Aus alter
überschwülst’ger Zeit gemacht.
Doch lebte dann ein
Sohn Dir, zweifach wieder
Hätt’st Leben Du –
durch ihn und meine Lieder.
19. Der Dichter
preist Southampton’s Schönheit
(20)
Ein Frau’ngesicht,
das malte eigenhändig
Natur, hast Du,
Herr-Herrin meiner Glut;
Ein zartes
Frauenherz, doch ist’s beständig
Und täuscht nicht,
wie das falsche Weib es thut;
ein hell’res,
treu’res Aug’ als das der Frauen,
Sein Blick
vergoldet jeden Gegenstand; -
Und bist doch wie
ein Bild des Mann’s zu schauen,
Das alle Farben
faßt, die Männer bannt
Und mit Erstaunen
füllt das Frau’ngemüthe.
Und auch zum Weibe warst
Du erst gemacht,
Bis die Natur, Dich
schaffend, jäh erglühte
In Lieb’ zu Dir,
was mich um Dich gebracht.
Doch da zum Glück
der Frau sie Dich ersonnen,
Gib mir die Lieb’
und ihr der Liebe Wonnen.
20. Der Dichter
preist Southampton’s Schönheit
(59)
Wenn nichts ist
neu: was war, nur wiederkehret;
Was ist, schon war
– wie täuscht sich unser Geist,
Der, mit Erfindung
ringend, mißgebähret,
Was sich als schon
gebornes Kind erweist?
Oh, daß Erinnrung
könnte rückwärts senden
Den Blick
fünfhundert Mal die Sonnenbahn
Und zeigen mir Dein
Bild in alten Bänden,
Seit sich die
Schrift dem Geiste aufgethan;
Damit ich sähe, was
die Alten dachten
Von solchem
Schönheitswunder, ob so reich
Sie waren, oder was
sie schönres brachten,
Und – ob am Ende aller
Umschwung gleich?
Oh! sicher wußt’
der Alten Witz zu singen
Bewundernd Lob
unwürdigeren Dingen!
21. Der Dichter
preist Southampton’s Schönheit
(106)
Wenn in
verschwundner Zeit Erinnerungen
Die Anmuth ich
beschrieben seh’, und lern’
Wie Schönheit alten
Sang mit Reiz durchdrungen
Zum Ruhm
verstorbner Frau’n und schmucker Herrn,
Find’ ich im Preis,
den sie dem Schönsten zollten,
Der Hand, dem Fuße,
Lippe, Auge, Brau’n,
Daß jene alten
Federn schildern wollten
Die Schönheit eben,
die an Dir wir schau’’n.
So ist ihr Lob nur
Prophezei’n gewesen
Der jetz’gen Zeit,
das Dich im Pinsel trug;
Doch, konnten
ahnend sie die Zukunft lesen –
Für Dich war ihre
Kunst nicht groß genug.
Wir selbst, die
sehn Dich, haben ja nur Augen,
Doch keine Zungen,
die zum Preisen taugen.
22. Der Dichter
preist Southampton’s Schönheit
(62)
Befangen ist in
Eigenlieb’ mein auge
Und meine Seele und
mein ganzes Sein;
Für diesen Flecken
giebt es keine Lauge,
Er brannte sich im
tiefsten Herzen ein.
mich dünkt, daß kein
Gesicht so schön sich zeiget,
Wie meins, daß
keine Form so groß und wahr;
Und daß mein Werth
den Aller übersteiget,
Mach’ ich vom
eignen Werth mir selber klat.
Doch bringt mein
Glas mich selbst mir zu Gesichte,
Zerhackt, gebräunt,
da längst die Jugend floh,
seh’ ich die
Eigenlieb’ in andrem Lichte,
Denn Sünde wär’s,
sich selbst zu lieben so.
Du bist’s (ich
selbst), den für mich selbst ich preise;
Mit Deiner
Schönheit schmückt sich auf der Greise.
23. Der Dichter
preist Southampton’s Schönheit
(22)
Mein Glas kann mir
mein Alter nicht beweisen,
so lange Du und
Jugend Eines seid;
Doch wenn auf Dir
sich Altersfurchen weisen,
Dann ruf’ dem Tode
ich: „nun ist es Zeit!“
Denn alle
Schönheit, die Dich schmückt, ist eben
Ein zierend Kleid nur
für mein Herz, das ist
In Deiner Brust,
wie Du mir Deins gegeben –
Wie kann ich älter
sein nun, als Du bist?
Drum, Liebster,
mußt für Dich Du Sorge hegen,
Wie ich für Dich,
nicht für mich selbst, es thu’,
Der ich Dein Herz
so sorglich werde pflegen,
Wie eine Amme deckt
ihr Kindchen zu.
Denn bricht mein
Herz, ist’s auch um Dein’s geschehen:
Du gabst mir
Dein’s, und nicht auf Wiedersehen.
24. Der Dichter
preist Southampton’s Schönheit
(53)
Aus welchen Stoffen
bist Du, die gestatten,
Daß tausend fremde
Schatten Dir sich weihn;
Wo Jedermann hat,
Jeder, einen Schatten,
Du, Einer nur,
kannst jeden Schatten leihn?
Adonis schildre, -
und die Züge malen
Nur schwach Dich
ab; was Schönheitskunst erfand,
Laß’ Helena von
Stirn und Wange strahlen;
Du bist’s, gemalt
in griechischem Gewand.
Sprich von dem
Frühling, von des Jahres Segen:
Der hüllt in
Schatten Deiner Schönheit sich,
Im andern kommt uns
Deine Güt’ entgegen –
In jeder schönen
Form erkennt man Dich.
In jedem äußern
Reiz bist Du auf’s neue;
Doch gleichst Du
Keinem, Keiner Dir, an Treue.
25. Der Dichter
preist Southampton’s Schönheit
(54)
Oh! wie viel
schöner ist die Schönheit, schmücket
Sie jener Reiz, den
Wahrheit um sie webt;
Schön sieht die
Rose, doch noch mehr entzücket
Sie durch den süßen
Duft, der in ihr lebt.
So tief wie jener
Schmelz der ächten Rose,
Glänzt das Gewand
der wilden Rose auch;
So hängt an Dornen
sie, spielt grad so lose,
Wenn sie erschließt
sich vor des Sommers Hauch.
Doch prangt sie nur
für sich, lebt unbegehret
Und stirbt
verachtet in sich selbst dahin;
Nicht so die Rose,
deren Süße währet,
Weil ihrem Tod wir
süßen Duft entziehn.
So wird mein Vers
Dein wahres einst auch fassen,
Wenn Deine
Schönheit und Dein Reiz erblassen.
26. Der Dichter an
Southampton. Widmung.
(23)
Wie ein noch
schwacher Spieler, der die Rollen
Aus lauter Angst
spricht auf der Bühne schlecht,
Und wie ein grimmes
Ding, das, wuthgeschwollen,
Mit Übermaß der
Kraft das Herz sich schwächt,
Kann ich, zaghaft
vor Dir, das Wort nicht finden,
Wie es im
Liebeskultus hergebracht,
Und meiner Liebe
scheint die Kraft zu schwinden,
Da mich erdrückt
der eignen Liebe Macht.
Oh! laß mein Buch
denn geben die Erklärung
Des lauten Herzens,
als sein stummer Mund!
Es fleht um Lieb’
und hoffet auf Gewährung
mehr als mein Mund
dies Mehr Dir mehr gab kund.
Lern’ lesen denn,
was stille Lieb’ geschrieben:
Mit Augen hört, wer
sein versteht zu lieben!
27. Der Dichter
verheißt Southampton Unsterblichkeit
(18)
Soll einem
Sommertag’ ich dich vergleichen,
Der Du viel lieblicher
und milder bist?
Maiblüthen kann ein
rauher Wind erreichen,
Und allzu kurz ist
schönsten Sommers Frist.
Oft schaut zu heiß
des Himmels Auge nieder,
Und häufig ist sein
goldner Blick getrübt;
Und alles Schöne
läßt von Schönheit wieder,
Ob Zufall, ob Natur
ihr Werk verübt;
Doch wird Dein
ew’ger Sommer nicht erblaßen,
Dein Schmuck, Dein
Reiz nicht zur Vergänglichkeit,
Des Todes Schatten
kann Dich nicht umfaßen,
Wenn ew’gen Wort
Dir ew’ges Leben leiht.
So lang’ sich
Menschenbrust wird athmend heben,
Lebt dies mein
Lied, und dieses giebt Dir Leben.
28. Der Dichter
verheißt Southampton Unsterblichkeit
(19)
Du gier’ge Zeit!
Schwäch’ Du des Löwen Tatze,
Die Erde mach’
verschlingen ihre Brut;
Brich aus den
scharfen Zahn der Tigerkatze,
Entew’ge Phönix selbst
im eignen Blut:
Laß’ Freund’ und
Schmerz auf Deinem Zug entstehen,
Leichtfüß’ge Zeit!
Thu’ an, was dir behagt,
Der Welt und ihren
Reizen, die vergehen;
Doch ein Verbrechen
sei dir untersagt:
Das holde Antlitz
meines Freund’s verschone
Mit deiner alten
Feder Grubenschrift,
Daß unversehrt die
Schönheit in ihm wohne,
Bis sie als Muster
auf die Nachwelt trifft!
Doch thu’ dein
Schlimmstes, Zeit! Trotz der Vernichtung
Lebt ewig jung mein
Freund in meiner Dichtung.
29. Der Dichter
verheißt Southampton Unsterblichkeit
(60)
Wie nach dem
kies’gen Ufer strebt die Welle,
Eilt jede Stunde
ihrem Ende zu
Und drängt sich an
der Verborgnen Stelle,
Und alle stürmen
vorwärts ohne Ruh’.
Ist das Geborne nur
an’s Licht gestiegen,
So kriecht’s zur
Reife; kaum dann krönt es die,
Muß schon sein
Glanz Verfinst’rung unterliegen;
Die Zeit zerstört
nun selbst, was sie verlieh:
Den Reiz
durchbricht sie, der das Kleid der Jugend,
Gräbt auf der
Schönheit Stirne Furchen ein,
Verschlingt die
Perlen der Natur und Tugend,
Und was da steht,
muß ihrer sichel sein.
Doch ihrer Wuth zum
Trotz soll spät’sten Jahren
Mein Vers die Kunde
Deines Werth’s bewahren.
30. Der Dichter
verheißt Southampton Unsterblichkeit
(64)
Sah ich die gier’ge
Hand der Zeit entstellen
Dahingeschwundner
Alter reiche Pracht,
Gewalt’ge Thürme
jäh zu Boden fällen,
Und ew’ges erz zum
Knecht der Wuth gemacht;
Sah ich das Meer
heißhungrig jetzt verschlingen
Des Unsers
Königreich, mit breiter Brust
Das feste Land
jetzt in die Fluthen dringen,
So daß Verlust
Gewinn, Gewinn Verlust;
Erblickt’ ich so
der Elemente Schwanken
Und sah die Dinge
selbst zermalmt zu Staub,
So lernt’ ich auf
den Trümmern den Gedanken,
Daß auch mein
Liebster wird der Zeit zum Raub –
Und ist es nicht,
als wär’ es schon gestorben,
Wenn fürchtend man
beweint, was man erworben?
31. Der Dichter
verheißt Southampton Unsterblichkeit
(65)
Wie soll, da Erz,
Stein, erd’ und Meere weichen
Dem traur’gen Tod,
der über allen thront,
Mit dieser Wuth die
Schönheit sich vergleichen,
In der nur Stärke
einer Blume wohnt?
Und wird des
Sommers honigsüße Milde
Nicht von der Tage
Ansturm auch besiegt,
Da selbst das
unnehmbare Felsgebilde,
Das härt’ste Thor
von Stahl, ihm unterliegt?
Oh, schrecklicher
gedanke! Wohin retten
Den schönsten Schatz
der Zeit vor ihrem Schrein?
Welch’ starke Hand
kann ihre Füße ketten,
ihr wehren,
Schönheit räub’risch zu entweihn?
Das Wunder nur, daß
diese schwarzen Zeichen
Im Glanze Dich der
Nachwelt überreichen!
32. Der Dichter
verheißt Southampton Unsterblichkeit
(55)
Hier diesen
mächt’gen Vers wird überleben
Kein Fürstengrab,
marmor- und goldgeziert,
Und größren Glanz
wird dieses wort Dir geben
Als ungewaschner
Stein, den Zeit beschmiert.
wenn wilder krieg,
wenn blutige Empörung
Die Bilder stürzt,
die festen Mauern bricht,
Fällt doch Dein
lebend Denkmal der Zerstörung
Durch Schwert des
mars und Kriegesfeuer nicht.
Tod und Vergessen
wirdt Du überwinden,
Und Deinen Ruhm und
Deine Herrlichkeit
Wird ein Geschlecht
dem anderen verkünden
Bis an das Ende dieser
ird’schen Zeit.
So, bis das
Weltgericht Dich wird erheben,
Giebt Dir dies Lied
im Aug’ der Liebe Leben.
33. Der Dichter an
Southampton, über seine Rivalen
(78)
Ich rief so oft,
wenn Verse ich erdachte,
Als Muse Dich, und
mir ward solche Gunst,
Daß jeder Andre
bald mir nach es machte
Und unter Dir nun
ausübt seine Kunst.
Dein Auge, das den
Stummen lehrte singen
Und trieb zu hohem
Flug Unwissenheit,
Gab neue Federn in
der Weisheit Schwingen
Und größre Majestät
der Lieblichkeit.
Doch soll Dein größter
Stolz, was ich schuf, bleiben,
Weil es durch Dich
nur wirkt, entspringt aus Dir;
Die Andern dringst
Du nur zu bessrem Schreiben,
Und zierst die
Kunst mit Deiner Anmuth Zier.
All’ meine Kunst
bist Du, der Du Erkenntniß
Des Weisen gabst mir
Armen an Verständniß.
34. Der Dichter an
Southampton, über seine Rivalen
(79)
Als ich allein auf
Deine Hälf’ vertraute,
war meinem Vers
allein Dein holder Reiz;
Doch jetzt
zerfällt, was liebend ich erbaute:
Die Muse, krank,
weicht anderer bereits.
Geliebter! ich
gestehe: Dich zu schildern
Braucht’s mehr, als
ich Unwürdiger ersann!
Doch, preist ein
Dichter Dich in schönen Bildern,
Giebt er Dir nur,
was er aus Dir geann:
Leiht er Dir
Tugend, hat das Wort entnommen
er Deinem Thun;
beut er Dir Schönheit dar,
Gab Deine Wange
sie; von ihm kann kommen
Kein ander Lob, als
das in Dir schon war.
Drum gieb ihm nicht
für seine Kunst die Ehre,
Denn Du zahlst
selbst, was er Dir schuldig wäre.
35. Der Dichter an
Southampton, über seine Rivalen
(80)
Oh! wie verzag’
ich, wenn von Dir ich schreibe,
Da Deinem Namen ich
benützet weiß
Von einem Bessern,
der, daß stumm ich bleibe,
Mit aller Macht
singt Deinen Ruhm und Preis!
Doch da Dein Werth
kann alle segel tragen,
(Weil, ohne
Grenzen, er dem Meere gleicht)
will sich auf Deine
Fluthen trotzig wagen
Mein keckes Boot,
das nicht an seines reicht.
Mich hält Dein
Beistand selbst auf seichten Wellen,
Er fährt, wo Deine
Tiefen bodenlos;
Und strand’ ich,
wird ein werthlos Boot zerschellen,
wo er ein mächt’ger
Bau ist, stolz und groß.
Drum, glückt’s ihm
und ich versänke, bliebe
Das Schlimmste
dieß: zum Tod ward mir die Liebe.
36. Der Dichter an
Southampton, über seine Rivalen
(86)
War es das stolze
Segel seiner Lieder,
Auf Dich – zu hoher
Preis! – gelenkt, das schloß
Ein in mein Haupt
mein reifes Denken wieder,
So daß sein Grab
der Schooß, dem es entsproß?
War es sein Geist,
den Geister schreiben lehrten
In überird’scher
Kunst, der mich gelähmt?
Nein - ! nicht vor
ihm, noch seiner Nachtgefährten
Verborgner Hülf’ hat
sich mein Lied geschämt:
Nicht er, noch
jener trauteste der Geister,
Der nächtlich ihn
mit falscher Kunde neckt,
kann prahlen, daß
ich schwieg vor ihm, als Meister:
ich war nicht
krank, weil jene mich erschreckt;
Doch als Du selbst
sein Lied emporgetragen,
Da blieb mir
nichts, da fühlt’ ich mich geschlagen.
37. Der Dichter an
Southampton, über seine Rivalen
(85)
Bescheiden schweigt
noch meine Muse immer,
Wo Lobesucht, gar
prächtig aufgeputzt,
Dich malt mit
goldnem Kiel und Phrasenschimmer,
Den sie mit allen
Musen zugestutzt.
Ich denke gut, wo
Andre schreiben Gutes;
Dem schlichten
Küster gleich, sag’ „Amen“ ich
Zu jedem Lied, das,
Zeuge des Tributes
Geschickter
Geister, rein erklingt für Dich.
„S’ist so, s’ist
wahr“ sag’ ich, hör’ ich Dich loben,
Und füg’ dem
höchsten Lobe mehr noch bei,
Doch nur im Herzen,
dessen Liebe oben,
Ob auch das Wort
bei mir zu unterst sei.
Drum ehr’ die
Andern um des Worthauch’s willen,
Mich für mein
denken, das Dich lobt im Stillen.
38. Der Dichter an Southampton,
über seine Rivalen
(21)
Mit jener Muse, die
zum Lied begeistert
Gemalte Schönheit,
hab’ ich nichts gemein,
Die sich des
Himmels selbst als Zier bemeistert,
Und läßt ihr
„Schon“ aus allem Schönen sein;
Vergleichend es der
Sonne, stolzer Weise,
Dem Mond, dem
Köstlichsten in Meer und Land,
Den Lenzesblüthen,
was im weiten Kreise
Der Himmelsbogen
Seltenes umspannt.
Laßt mich, in Liebe
wahr, nur schreiben Wahrheit,
Und glaubt mir,
mein Geliebter ist so schön,
Wie je ein
Menschenkind; ob auch mehr Klarheit
Den goldnen
Lichtern sei in Himmelshöhn.
Der sage mehr, der
liebt vom Hören-sagen:
Ich preise nicht,
will nichts zu Markte tragen.
39. Der Dichter an
Southampton, über seine Rivalen
(83)
Ich sah noch nie,
daß Schminke Dir von Nöthen,
Drum schminkt’ ich
Deine Schönheit nicht; ich fand
(Fand, oder dachte)
was Dir Dichter böten,
Ist gegen Deine
Hohe leerer Tand.
Und darum schlief
ich, statt Dich mehr zu preisen,
Damit uns Deine
Größe selbst belehrt,
Wie schwach die
jetz’gen Federn sich erweisen,
Vom Werthe
sprechend, Deinem hohen Werth.
Zur Sünde machtest
Du mir dieses Schweigen,
Das doch mein
höchster Ruhm; denn schweigend hab’
Ich Schönheit nicht
verletzt, wo Andre zeigen,
Die Leben geben
wollten, nur ihr Grab.
In einem Deiner
Augen lebt mehr Leben
Als Deiner beiden
Dichter Lob kann geben.
40. Der Dichter an
Southampton, über seine Rivalen
(84)
Wer sagt am
meisten? Was kann mehr gewähren
Als dieses Lob, daß
Du bist Du allein?
Das schließt den
Reichthum, der uns sollte lehren.
Wo Deinesgleichen
lebt, in sich schon ein.
Armseligkeit muß in
der Feder leben,
Die keinen Glanz
fügt ihrem Stoffe zu;
Doch wer von Dir
schreibt, wird sein Lied erheben,
Wenn er nur sagen
kann, daß Du bist Du.
Er schreibe, was in
Dir geschrieben, wieder,
Nur trüb’ er nicht,
was von Natur so klar,
Und ruhmvoll macht
die Abschrift seine Lieder
Und seinen Stil
nennt Alles wunderbar.
Du machst zum
Fluche Deiner Schönheit Adel:
Du forderst Lob,
und Lob bei Dir wird Tadel.
41. Der Dichter an
Southampton, über seine Rivalen
(82)
Du warst ja meiner
Muse nicht vermählet
Und magst drum ohne
Unrecht auch beschau’n
Die Widmungsworte,
die ein Andrer wählet,
Um seines Buches
Glück auf Dich zu bau#n.
So reich an Wissen
wie an aüßren Gaben,
Siehst Deinen Werth
Du überragen weit
Mein höchstes Lob,
und darum mußt Du haben
Bered’re Zeugen
dieser größten Zeit.
Ja, suche sie! Doch
wenn sie dann erzwungen,
Was der Rhetorik
hoher Stil ergiebt,
Hat Dich, Du
wahrhaft, Schöner, wahr besungen,
Mit schlichtem
Wort, der Freund, der wahr Dich liebt.
Und besser wär’ ihr
dickes Roth gespendet
Blutleeren wangen;
hier ist es verschwendet.
42. Der Dichter an
Southampton, über seine Rivalen
(32)
Wenn Du den guten
Tag wirst überleben,
Wo mich der harte
Tod mit Staub bedeckt,
Und diesen
dürft’gen Vers, den Dir gegeben
Dein todter Freund,
nochmal Dein Aug’ entdeckt,
Vergleich’ das
Bessre Deiner Zeit dagegen,
Und, blieb’ er
hinter Allem, leg’ zurück
Ihn meiner Liebe,
nicht der Reime wegen,
Die übertraf manch
bessrer Feder Glück.
Dann weih’ mir nur
den freundlichen Gedanken:
Wuchs seine Muse
fort mit dieser Zeit,
„Ich hätt’ ein
schönres Kind ihr zu verdanken,
„Das würdig sich
dem Höchsten angereiht;
„Doch da er starb,
sei nun der größren Dichter
„Ihr Stil, ihm aber
seine Liebe, Richter.“
43. Auf
Southampton’s Eingebung schickt sich der Dichter an
über dessen Liebe
an Elisabeth Vernon zu schreiben
(38)
Kann’s meiner Muse
wohl an Stoff gebrechen,
So lang’ Du lebst,
der strömt in mein Gedicht
Den eignen süßen
Stoff, den auszusprechjen
Sind würdig die
gemeinen Blätter nicht?
Oh! dank’s Dir
selbst, wenn Dir von dem Geringen,
Das ich Dir biete,
Alles nicht mißfällt:
Dem Blödsten muß
das Schreiben ja gelingen,
wenn von Dir selbst
sein Geist das Licht erhält.
Sei du die zehnte
Muse, überragend
Zehnfach der
Dichter altersschwache neun,
Und lasse ihn, der
schafft, nur Dich befragend,
Unsterblicher
Gedichte Schöpfer sein!
Wenn dieser
strengen Zeit ich kann gefallen,
Sei mein die Müh’,
doch Dein das Lob vor Allen.
44. Elisabeth
Vernon an den Grafen Southampton,
über sein Bild
(24)
Mein Aug’, den
Maler spielend, in der Tiefe
Von meiner Brust
schuf Deiner Schönheit Bild:
Mein Körper ist der
Rahmen; Perspective
Ist was als Kunst
des besten Malers gilt.
Denn durch den
Maler mußt Du hingelangen,
Wo kunstvoll er
Dein Bild gemalt; so sieh
Im Laden meiner
Brust es aufgehangen,
Der Deine Augen
sich als Fenster lieh.
Wie dient das Auge
so dem Aug’ vorzüglich:
Die meinen alten
Dich, und Deine nun
Sind Fenster meiner
Brust, durch die vergnüglich
Die Sonne blickt,
auf Deinem Bild zu ruhn.
Doch fehlt dem Aug’
die wahre Kunst, denn nimmer
Zum Herzen
dringt’s, malt nur den äußern Schimmer.
45. Elisabeth
Vernon an den Grafen Southampton,
über sein Bild
(46)
Mein Herz und Auge
stehn sich wild entgegen
Ob Deines Anblicks
Beute: weigern möcht’
Das Aug’ dem Herzen
Deines Bildes Segen,
Mein Herz dem Aug’
befreiten dieses Recht.
Mein Herz führt an,
daß es Dich in sich trage
(Nie drang ein Aug
in dies Versteck hinein);
Doch sagt
Beklagter, das sei doch die Frage:
Er schließe selbst
Dein schönes Bild ja ein!
Hier zu entscheiden
werden Herzinsassen,
Gedanken,
einberufen zu Gericht,
Das sein Verdict,
was klarem Aug’ zu lasssen,
Was wahrem Herzen
sei, nun also spricht:
Mein Aug’ soll sich
an Deinem Äußern laben,
Mein Herz die Liebe
Deines Herzens haben.
46. Elisabeth
Vernon an den Grafen Southampton,
über sein Bild
(47)
Mein Herz und Aug
sind Eins nun: jedes trachtet,
Daß es dem andern
Gutes nur erweist.
So, wenn mein Aug
nach einem Blicke schmachtet,
Wenn Liebessehnsucht
fast mein Herz zerreißt,
Weiß sich mein Aug’
an Deinem Bild zu letzen
Und lädt mein Herz
zum Farbenschmause ein;
Dann darf zum
Herzen auch das Aug’ sich setzen,
Theilhaber seiner
Liebsgedanken sein.
Dein Bildniß oder
meine Liebe schenken
So, bist du fern,
Dich gegenwärtig mir;
Denn Du kannst
weiter nicht als wie mein Denken,
Und ich bin stets
bei ihm und es bei Dir.
Und schläft es,
weckt Dein Bild in Traumesblicken
Mein Herz zu
Herzens und zu Aug’s Entzücken.
47. Southampton an Elisabeth.
Klagen: Trost der
Liebe
(29)
Wenn ich bewein’
den Schiffbruch meines Lebens.
Ich, den verstieß
die Menschheit und das Glück,
Und auf zum tauben
Himmel schrei’ vergebens,
Mich selbst
betrachtend fluche dem Geschick,
Und möchte Diesem
gern an Hoffnung gleichen,
Dem von Gesicht,
Dem in der Freunde Zahl,
Möcht Dieses Kunst
und Jenes Macht erreichen,
An größter Freude
finde größte Qual,
Und dann doch fast
mir selbst verächtlich werde,
Denk ich wohl Dein
– und, wie die Lerch’ empor
Beim Tagesgrauen
steig von dumpfer Erde,
Singt Hymnen nun
mein Herz am Himmelsthor.
Denn Deine Lieb’
weiß so mich zu belohnen,
Denk ich an sie,
daß ich nicht tauscht’ mit Kronen!
48. Southampton an Elisabeth.
Klagen: Trost der
Liebe
(30)
Wenn ich so
heimlich in Gedanken tage
Ob der Erinnrung
der Vergangenheit,
Vermiß betrübt ich
viel, mit alter Klage
Neu klagend der
Verwüstung meiner Zeit.
Dann strömt ein
Aug’, das sonst so trocken bliebe,
Um Freunde, die
gehüllt in Todesnacht,
Weint frisch um
längst getilgtes Leid der Liebe,
Verschwundne
Bilder, die mir einst gelacht.
Dann kann ich
plagen mich mit alten Plagen
Und trüb durchgehn
von Weh zu Weh nochmal
Die traur’ge
Rechnung schon geklagter Klagen,
Die ich, als wär’
sie ungezahlt, auf’s neue zahl.
Doch denk’ dabei
ich Dein, oh Lieb – zerronnen
Ist aller Schmerz,
Verlornes neu gewonnen!
49. Southampton an Elisabeth.
Klagen: Trost der
Liebe
(31)
Die Herzen alle,
die, weil sie verschwunden,
Ich todt geglaubt,
bereichern Deine Brust;
Dort herrschen:
Lieb’, und was mit Lieb’ verbunden,
Die Freunde all’,
die ich im Grab gewußt.
Wie viele heil’ge
und ergebne Zähren
Aus meinem Auge
fromme Liebe stahl
Um jene Todten, die
ich nun, als wären
Sie nur verletzt,
in Dir erblick zumal!
Du bist das Grab,
wo Liebe, die begraben,
Lebt auf, geschmückt
mit todter Freunde Zier,
Die alle ihren
Theil von mir Dir gaben:
Was manchem war,
gehört allein nun Dir.
In Dir seh’ ich,
die mir so lieb gewesen,
Und Du (sie alle)
hast mein ganzes Wesen.
50. Southampton an Elisabeth.
Klagen: Trost der
Liebe
(37)
Wie ein betagter
Vater voll Entzücken
Sieht, wie sein
Kind der Jugend Thaten thut,
Find’ ich, den
lähmten des Geschickes Tücken,
Daß all’ mein Trost
auf Deinem Werth beruht;
Denn ob Geburt,
Geld, Schönheit, Geistesgabe,
Ob eins davon, ob
jedes, ob noch mehr,
Dir zugetheilt, zum
Thron erwählt dich habe, -
Mein Lieben pfropf
ich auf dies Gabenheer!
Drum bin ich arm,
verachtet nicht hienieden,
Da solche Wesenheit
giebt dieser Schein,
Daß ich, in Deinem
Überfluß zufrieden,
Vom Antheil Deines Ruhmes
leb allein.
Was ist das
Schönste? daß es Dich doch schmückte!
Das wünsche ich,
den’s zehnfach dann beglückte.
51. Southampton an Elisabeth.
Klagen: Trost der
Liebe
(25)
Laß’ jene, die in
Gunst bei ihrem Sterne.
Mit stolzen Titeln,
äußrer Ehr’ sich bläh’n,
Ich, dem das Glück
hält die Triumphe ferne,
freu’ mich an
meinem Höchsten ungesehn.
Die Prinzenfreunde
schöne Blätter treiben,
Wie Ringelblumen,
wenn die Sonne lacht;
In ihnen muß ihr
Stolz begraben bleiben:
Ein finstrer Blick
ertöthet ihre Pracht.
Der tapfre,
kampfberühmte Kriegsheld, wäre
Nach tausend Siegen
einmal er besiegt,
Wird ausgestrichen
aus dem Buch der Ehre
Und man vergißt,
was mühvoll er erkriegt.
Drum glücklich ich,
der, selbst geliebt, darf lieben,
Wo er nicht weicht
und niemals wird vertrieben.
52. Southampton’s
Abschied von Elisabeth Vernon
(36)
Daß wir zwei Zwei
sein müssen – laß’ mich’s sagen! –
Mag unsre eig’ne
Lieb’ auch eine sein:
So werd’ ich ohne
Deine Hülfe tragen,
Allein, die
Flecken, die mich jetzt entweihn.
In unsrer Liebe ist
nur Eins enthalten,
Im Leben aber
trennt uns eine Kluft,
Die, ändert sie
auch nicht der Liebe Walten,
Doch vielen Stunden
raubt der Liebe Duft.
Ich darf Dich
niemals kennen mehr; Dir wäre
Sonst schädlich
meine vielbeweinte Schuld,
Und Deinem Namen
selbst nähmst Du die Ehre,
Mit der Du ehrtest
mich in offner Huld:
Dies thue nicht;
ich lieb’ in solchem Sinne,
Daß ich in Dir auch
Deinen Ruf gewinne.
53. Southampton an Elisabeth,
während seiner
Reise und Abwesenheit
(50)
Wie schwer zieh’
ich dahin auf diesen Straßen,
Da mir der Reise so
ersehntes End’
Gerade durch die
Ruh’ wird fühlen lassen,
Daß ich so weit von
meinem Lieb getrennt!
Mein gutes Thier
schleppt schweren Schritt’s sich weiter
Ermüdet selbst von
meiner Herzenslast,
Als ob ihm Etwas
sagte, daß den Reiter,
Nun er Dir ferne
zieht, drängt keine Hast.
Zur Eile treibt es
nicht die blut’ge Spitze,
Die oft in seine
Haut ihn stößt der Zorn;
Nur dumpfes Stöhnen
hat’s auf meine Hitze,
Und das thut weher
mir als ihm mein Sporn;
Denn dieses Stöhnen
macht daran mich denken,
Daß Freud’ ich
ließ, um Schmerzen zu zulenken.
54. Southampton an Elisabeth,
während seiner
Reise und Abwesenheit
(51)
Mein träges Thier
entschuldigt so die Liebe,
Wenn’s, von Dir
ziehend, ihm an Eil’ gebricht:
Was ist, das mich
so hastig von Dir triebe?
Bis ich
zurückkehr’, braucht’s der Eile nicht!
Oh! welche
Ausflucht wird mein Thier dann finden,
Wenn schnellste
Schnelligkeit scheint langsam noch?
Dann spornte ich,
und säß ich auf den Winden;
Und flöge ich, für
mich wär’s Lahmheit doch!
Dann mag kein Pferd
mit meinem Wunsch sich messen;
Drum stürmt mein
Wunsch, der wahrer Lieb’ entsproß,
Kein träges Fleisch
aufwiehernd zu, indessen
Die Lieb’, um
Lieb’, entschuldigt so mein Roß:
Da es von Dir nur
langsam sich mocht trennen,
Mag’s jetzt auch
geh’n, undich will zu dir rennen.
55. Southampton an Elisabeth,
während seiner
Reise und Abwesenheit
(113)
Im Geiste ist mein
Aug’, seit ich mich trennte
Von Dir, und jenes,
das mich führt einher,
Ist amtsuntreu,
halb blind, und thut als kennte
Es sich noch aus,
und sieht doch gar nichts mehr;
Denn keine Form
kann es zum Herzen führen
Von Vögeln, Blumen,
was es auch umspannt;
Vom schnellen Sehn
läßt nichts den Geist es spüren,
Noch hält sein
Blick das fest, was er erkannt.
Denn ob’s das
Rohste oder Schönste sehe,
Das Süßeste, den
Hohn der Creatur,
Berg oder See, Tag
oder Nacht, ob Krähe,
Ob Taube: er sieht
drin Dein Antlitz nur.
So, voll von Dir,
unfähig für das Neue,
Verräth mein treuer
Geist des Auges Treue.
56. Southampton an Elisabeth,
während seiner
Reise und Abwesenheit
(114)
Wie? Schlürft mein
Geist, mit Dir gekrönt, nun sachte
Das Gift der
Herrscher auch, die Schmeichelei?
Soll sagen ich,
mein Aug’ sieht wahr: es brachtwe
Ihm Deine Liebe
erst die Schwarzkunst bei,
Aus Ungeheurem,
Eklem zu gestalten
Sich Engel, deren
süßes Muster Du?
So schnell aus
Schlechtem Bestes zu entfalten,
Wie Dinge stömen
seinen Strahlen zu?
Das Erste, ach!
S’ist Schmeichelei vom auge,
Die königlich mein
hoher Geist verschlingt;
Wohl weiß mein
Aug’, was seinem Gaumen tauge,
So daß es ihm den
richt’gen Becher bringt:
Ist er vergiftet,
mindert’s seine Lüge,
Daß es, ihn
liebend, trinkt die ersten Züge.
57. Southampton an Elisabeth,
während seiner Reise
und Abwesenheit
(27)
Vom Wandern müde,
eile ich zu Bette,
Erschöpfter Glieder
süßem Ruheort;
Doch reißt, wenn so
der Leib erholung hätte,
Sehnsucht den Geist
zu neuer Wandrung fort.
Denn hin zu Dir
(von ferne, wo ich harre)
In hast’ger
Wallfahrt all mein Denken zieht,
Daß ich, die
schweren Lieder offen, starre
In’s leere Dunkel,
wie#s der Blinde sieht;
Nur daß der Seele
innerliches Schauen
dein Bild vor meine
blinden Augen stellt,
Das, wie ein
Kleinod hängt in Nachtesgrauen,
Die alte, schwarze
Nacht verjüngt, erhellt.
So wirken Du und
ich, das Ruhe fehle
Dem Leib bei Tag,
und dann bei Nacht der Seele.
58. Southampton an Elisabeth,
während seiner
Reise und Abwesenheit
(28)
Wie kann ich so zur
Freude wiederkehren,
Da mich der Ruhe
Wohltat nie beglückt,
Die Nächte nur der
Tage Last vermehren,
Der Tag die Nacht,
die Nacht den Tag bedrückt?
Obgleich die zwei
sich um die Herrschaft schlagen –
Zu quälen mich gehn
Hand in Hand sie doch:
Durch Wandern er,
und sie durch bittres Klagen,
Wie fern ich wandre,
stets Dir ferner noch.
Ich sag’ dem Tag:
wenn Wolken überdunkeln
Den Himmel,
strahlst Du ihm zum Schmuck so hold.
So schmeiche ich
der braunen Nacht, daß, funkeln
Ihr Sterne nicht,
Du glühst als Abendgold:
Doch macht der Tag
mein Grämen täglich länger,
Die Nacht den
bangen Gram allnächtlich bänger.
59. Southampton an Elisabeth,
während seiner
Reise und Abwesenheit
(43)
Am Besten sieht
mein Aug’, wenn es sich schließet,
Weil es am Tag nur
sieht, was es nicht schätzt,
Im Traume aber
Deines Bild’s genießet;
Im Dunkel hell,
blickt’s hell durchs Dunkel jetzt.
Wie würd’st Du,
deren Schatten klärt die Schatten,
Am hellen Tag, mit
Deinem hellern Licht,
Der Form des
Schattens schöne Form gestatten,
Da so Dein Schein
das blinde Aug’ besticht!
Wie würd’ mein
Aug’, sag# ich, beglückt sich finden,
Dich anzuschau#n am
Tag, da in der Nacht
Dein schönes,
unvollkommnes Bild im blinden,
Geschloßnen Auge
steht trotz Schlafes Macht!
Der Tag ist Nacht
mir, bis ich Dich erspähe,
Nacht heller Tag,
wenn ich im Traum Dich sehe.
60. Southampton an Elisabeth,
während seiner
Reise und Abwesenheit
(61)
Ist es Dein Wunsch:
Dein Bild soll offen halten
Die lange Nacht
hindurch mein schweres Lid?
Soll ich nicht
schlummern, während Truggestalten,
In Deiner Form, mein
irres Auge sieht?
Schickst Deinen
Geist Du her so weite Strecke,
Damit er was ich
treiben mag erkund’,
daß Schmach und
Thorheit er in mir entdecke,
Die Deiner
Eifersucht Gehalt und Grund?
Oh nein! So groß
ist doch nicht Deine Liebe:
S’ist meine eigne,
wahre, die nicht zu
Ihr Auge schließt
und, folgend ihrem Triebe
Für Dich zu wachen,
opfert meine Ruh’!
Für Dich wach’ ich;
doch ach! Dein Geist wird wandern –
Weit weit von mir
und viel zu nah bei Andern.
61. Southampton an Elisabeth,
während seiner Reise
und Abwesenheit
(48)
Wie hab ich Alles,
eh’ ich fortgegangen,
Mit treustem Riegel
mir verwahrt so gut,
Damit kein Falscher
möcht’ dazu gelangen,
Es unentweiht mir
blieb’ in sichrer Hut!
Doch Du, mein
Bestes, gegen das Juwelen
Ein Nichts, mein
höchster Trost, jetzt größtes Leid,
Du, Einzige, um die
mich Sorgen quälen,
Kannst Diebesbeute
werden jederzeit.
Dich hab’ ich nicht
in Kammern eingeschlossen,
Als wo Du nicht und
doch bist; ja Dich hält
In zarter Kammer
meine Brust umschlossen,
Allwo Du kommst und
gehst, wie’s Dir gefällt.
Und da selbst,
fürcht ich, wirst Du mir gestohlen:
Denn Treu wird
diebisch, solchen Preis zu holen.
62. Southampton an Elisabeth,
während seiner
Reise und Abwesenheit
(44)
Ach! wäre dies mein
träges Fleisch Gedanke,
Sollt’ Ferne nicht
die schritte hemmen mir;
Denn dann ja trüg’
mich’s, trotz des Raumes Schranke,
Von weit entlegnen
Grenzen hin zu Dir.
Gleichgültig dann,
ob auch mein Fuß noch wäre
Auf dem Dir
fernsten Erdenrand; denn fort
Ist der Gedanke
über Land und Meere,
schon wenn er denkt
sich den gewünschten Ort.
Doch Tod ist der
Gedanke, daß Gedanke
Ich nicht bin, mich
zu schwingen Meilen weit,
Und, Erd’ und
wasser selbst, es diesen danke,
Wenn ich verjammern
muß die müß’ge Zeit;
Da mir so träge
Elemente Zähren,
Die Zeichen unsres
Schmerzes, nur gewähren.
63. Southampton an Elisabeth,
während seiner
Reise und Abwesenheit
(45)
Die andern: leichte
Lust und lästernd feuer,
(Mein Denken und
Verlangwen) beide sind
Bei Dir, wo ich
auch sei, und, uns getreuer,
Trägt sie ihr
Fittig hin und her geschwind.
Es sinkt, wenn
diese schnellern Elemente
Mit zarter
Liebesbotschaft mir enteilt,
Mein vierfach
Leben, das von zwei’n sich trennte,
Sehnsuchterdrückt
fast in den Tod und heilt
Erst, wenn die
Rückkehr jener raschen boten
Ihm alle
Lebenstheile wieder bringt. –
Just kommen sie,
die auszubleiben drohten,
Dein köstlich
Wohlsein meldend mir: Nun singt
Mein Herz; doch
dann, mein Frohsinn kann nicht dauern,
send’ ich zurück
sie, um auf’s Neu’ zu trauern.
64. Southampton an Elisabeth,
während seiner
Reise und Abwesenheit
(52)
So bin ich wie der
Reiche, er zu süßen
Verschlößnen
Schätzen seinen Schlüßel hat:
Nicht jede stunde
will er sie begrüßen,
Sonst wird der Reiz
der seltnen Freude matt.
Das macht die Feste
feierlich und theuer,
daß, selten
kommend, dünn gesät sie stehn
Im langen Jahr’,
wie edler Steine Feuer
Abwechselnd wir im
Halsgeschmeide sehn.
So hält die Zeit
dich wie mein Schrein zurücke,
Wie unsern Staat
der Schrank birgt, und erfüllt
Besondre Stunde mit
besondrem Glücke,
wenn stolz sie die
gefangne Pracht enthüllt.
Gesegnet bist Du,
deren Ansehn nähret
Triumph, genossen;
Hoffnung, wenn entbehret.
65. Der Dichter an
southampton,
nachdem er ihn drei
Jahre gekannt hat
(104)
Dich, schöner
Freund, kann nimmer alt ich sehen;
denn schön, wie da
Dein Auge ich erblickt,
Bist Du noch heut.
Schon hat des Winters Wehen
Dreimal der Wälder
sommerschmuck geknickt,
Drei schöne Lenze
sind zum Herbst verblichen;
Dreimal sah ich in
Juniglut verglühn
Den holden Mai mit
seinen Wohlgerüchen,
Seit ich zuerst
Dich sah, der jetzt noch grün.
Und doch flieht
Schönheit über ihr Gefilde,
Leicht wie ein
Sonnenzeiger ohne spur;
So daß am End’ auch
deine süße milde
Nicht stille steht
und ich mich täuschte nur!
Dies fürchtend soll’s
gesagt den Künft’gen werden:
„Der Schönheit
Sommer starb, eh’ ihr auf Erden!“
66. Der Dichter an
Southampton,
zu dessen
bevorstehender Abreise
(39)
Wie kann ich
schicklich Deinen Werth besingen,
Da Du der bessre
Theil von mir ja bist?
Was kann mein
eignes Lob mir selber bringen,
Da, lob ich Dich,
es Eigenlob schon ist?
Darum gerad’ laß
uns geschieden leben,
Und unsre Lieb’
verlier’, den sie geführt,
Der „Einz’gen“
Namen, daß ich Dir kann geben
Das schuld’ge Lob,
das Dir allein gebührt!
Wie, Trennung!
würdest Du in Qual mich stürzen
Erlaubte Deine
bittre Muße nicht,
Die Zeit mit
Liebsgedanken süß zu würzen,
Womit die Liebe
Zeit und herz besticht,
Und lehrtest Du
nicht so den Einen theilen,
Daß ich in preise
hier, muß fern er weilen.
67. Elisabeth
Vernon’s Selbstgespräch
(144)
Ich liebe zwei, die
Trost und Gram ich heiße,
Die wie zwei
Geister dringen auf mich ein:
Der beßre ist ein
Mann von lichter Weiße,
Der schlechtre
Geist ein Weib von üblem Schein.
Mein Dämon Weib, mich
für die Höll’ zu werben,
Möcht meinen
bessern Engel mir entziehn;
Zum Teufel meinen
Heil’gen zu verderben,
Lockt sie voll
Sündenstolz den Reinen hin.
Und ob zum Feind
sie meinen Engel machte,
Ich weiß es nicht;
doch da sie Beide flohn,
Befreundet Beide,
ahnet mir, es schmachte
Ein Engel in des
andern Hölle schon.
Ich weiß nichts,
leb im Zweifel, bis mit Gluten
Mein böser Engel
austreibt meinen guten.
68. Elisabeth wirft
Southampton Untreue vor
(33)
Manch schönen
Morgen sah auf Bergesspitzen
Mit majestät’schem
Blick ich niederglühn,
mit Himmelsgold auf
blassen Strömen blitzen,
Mit goldnem Kusse
küssen Wiesengrün,
Und drauf
gemeinsten Wolken es erlauben
Auf seinem Antlitz
frech einher zu ziehn,
Und dann beschämt
er armen Welt sich rauben,
Um ungesehn nach
Westen zu entfliehn.
So hat auch meine
Sonne übergossen
Mich eines Morgens
mit erhab’nem Glanz –
Ach! eine Stunde
nur, so schnell verflossen,
Und jetzt sie
gehüllt in Wolken ganz!
Doch – kann des
Himmels Sonne trübe werden,
Grollt Liebe nicht,
wird trüb’ die Sonn’ auf Erden.
69. Elisabeth wirft
Southampton Untreue vor
(34)
Warum Du nur so
schönen Tag verhießest,
Daß ich hinaus mich
wagte unbedeckt,
Mich dann von
Wolken überfallen ließest,
Die Deinen Prunk in
ihrem Qualm versteckt?
S’ist nicht genug,
durch das Gewölk zu brechen,
Um aufzutrocknen
mein verletzt Gesicht;
Denn Niemand wird
vom Balsam Gutes sprechen,
Der heilt die
Wunde, doch die Schande nicht:
Daß Du Dich schämst
kann meinen Gram nicht mindern;
Ob Du’s bereust,
ist mein doch der Verlust:
Die Reu’ des
Schuld’gen kann nur enig lindern
Den Schimpf, deß
der Beschimpfte sich bewußt.
Doch Perlen sind
die Thränen Deiner Liebe,
Zu reich, als daß
noch eine Schuld Dir bliebe!
70. Elisabeth wirft
Southampton Untreue vor
(35)
Laß dich nicht
schmerzen mehr, was Du verübet:
Die Ros’ ist
dornig, Silberquell nicht rein;
Durch Wolken werden
Sonn’ und Mond getrübet,
In zarte Knospen
bohrt der Wurm sich ein.
Die Menschen fehlen
alle: ich so eben,
Rechtfert’gend
durch Vergleichung Dein Vegehn,
Mich selbst
bestechend, Deine Schuld zu heben.
Dir mehr
entschuld’gend, als von Dir geschehn.
Denn sinnvoll
schütz ich Deine Schuld der Sinne,
Dein Gegenpart wird
nun zum Anwalt Dir,
So daß ich gegen
mich Prozeß beginne;
So heftig streiten
Lieb und Haß in mir,
Daß ich doch helfen
muß dem süßen Diebe,
Der bitter mir
gestohlen, was ich liebe.
71. Elisabeth wirft
Southampton Untreue vor
(41)
Der Freiheit kleine
Sünden, die geschehen,
Wenn Deinem Herzen
ich abwesend bin,
Wohl Deiner Schönheit,
Deinen Jahren, streben;
Denn wo Du bist,
folgt noch Versuchung hin.
Du bist so gut, und
darum leicht zu fassen;
Du bist so schön,
drum wirst bestürmt Du leicht,
Und wirbst ein Weib
– welch’ Weibes Sohn wird lassen
Sie sauer stehn, eh
sie den Sieg erreicht?
Ach! dennoch,
Süßer! solltest Du sie fliehen,
Die Schönheit
scheltend und die Jugendlust,
Die Dich in ihrem
Rausch selbst dahin ziehen,
Wo Du zwiefache
Treue brechen mußt:
Die ihre, weil Dein
Reiz sie zu Dir reißet,
Die Deine, weil
Dein reiz nun falsch mir gleißet.
72. Elisabeth wirft
Southampton Untreue vor
(42)
Daß Du sie hast,
ist nicht all’ meine Klage,
Obgleich ich sagen
kann, ich liebt’ sie ehr;
Daß sie hat Dich,
ist’s Schlimmste, was ich trage –
Verlust der Liebe,
der mich schmerzt viel mehr.
Liebreiche Sünder,
laßt Euch so entschuld’gen:
Du liebst sie, weil
Du weißt, sie liebe ich;
So läßt um
meinetwillen sie sich huld’gen
Von meinem Freund,
aus Liebe täuschend mich.
Verlier’ ich Dich,
wird’s meiner Lieben frommen,
Verlier’ ich sie,
macht meinen Freund es reich;
Sie finden sich,
ich muß um Beide kommen,
Und Beide schmerzen
mich aus Liebe gleich:
Doch sieh! mein
Freund und ich sind eins. So meine
Ich, süßer Traum!
daß sie mich liebt alleine.
73. Elisabeth an
ihre vermeintliche Nebenbuhlerin
Lady Rich
(133)
Verwünscht das
Herz, das mein’s erseufzen machte
Um meinem Freund
und mir geschaffne Pein!
Ist’s nicht genug
denn, daß allein ich schmachte,
Muß Sklav’ der
Knechtschaft auf mein Liebster ein?
Mir selbst hat mich
Dein grausam Aug’ entzogen;
Mein zweites Ich
hast – ärger! – Du berückt;
Um ihn, mich selbst
und Dich bin ich betrogen,
So daß dreifache
Qual mich dreifach drückt.
In Deine Brust von
Erz schließ’ meine Seele,
Doch laß mein armes
Herz dann sein’s befrei’n:
Wer mich hat, mich
zu seinem Wächter wähle;
Du kannst in meiner
Hast dann streng nicht sein –
Und wirst’s doch
sein; denn ich, in Deinen Banden,
Bin Dein mit Allem,
was in mir vorhanden.
74. Elisabeth an
ihre vermeintliche Nebenbuhlerin
Lady Rich
(134)
Daß er ist Dein,
hab’ ich jetzt zugegeben,
Wie ich mich selbst
zum Pfand Dir übergab;
Nimm ganz mich,
wenn Du nur mein ander Leben
Mir wieder giebst,
daß ich zum Trost es hab’.
Doch Du willst’s
nicht, noch mag er Freiheit lieben,
Denn er ist gut,
und Habgier treibet Dich;
Er hat ja nur als
Bürge unterschrieben
Für mich den Pakt,
der fesselt ihn wie mich.
Mit Deiner
Schönheit Schuldrecht willst belangen
Du, Wucherin, die
Alles nützen macht,
Den Freund mir, der
für mich in Schuld gegangen;
So hat mein
Mißbrauch mich um ihn gebracht.
Ich hab’ verloren
ihn, Du hältst uns Zweie,
Er zahlt’s, doch
ohne daß es mich befreie.
75. Elisabeth an
ihre vermeintliche Nebenbuhlerin
Lady Rich
(40)
Nimm alles was ich
liebe, und bekenne,
Ob Du nun mehr
hast, als Du schon bekamst?
Nicht Liebe, Lieb’,
die man die wahre nenne
Du hattest meine,
eh’ Du dieses nahmst!
Wenn Du mein Lieb’
nun liebst ausmeiner Liebe.
So sag’ ich nichts,
weil Du nur liebt statt mir;
Doch tadl’ ich
Dich, versuchst aus falschem Triebe
Vorsätzlich Du, was
doch nur werthlos Dir.
Ich will des
Raubes, holder Dieb, nicht klagen,
Obgleich er alle
meine Armuth trifft;
Doch weiß die
Lieb’, daß schwerer zu ertragen
Der Liebe Unrecht,
als des Haßes Gift.
Leichtfert’ger
Liebreiz, den auch Schlimmes kleidet,
Quäl’ mich zu Tod –
nur daß nichts je uns scheidet!
76. Der Dichter an
Southampton
über die
Verläumdung
(70)
Daß man Dich
schmäht, kann keiner Schmach Dich zeihen,
Weil stets nach
Schönem die Verläumdung strebt;
Verdächt’gung kann
der Schönheit Glanz nur leihen,
Ein Rabe, der am
reinen Himmel schwebt.
Schmäh’n wird nur
fester Deinen Werth begründen,
Wenn gut Du
bleibst, Du Bräutigam der Zeit;
denn hold’ste
Knospen liebt der Wurm der Sünden,
Und Du bist Blüthe,
rein und unentweiht.
Du kamst vorbei am
Hinterhalt der Jugend
Unangefochten, oder
dann als Held;
Doch ist nicht Lob
genug dies Lob der Tugend,
Den Neid zu bannen,
der nur mehr sich schwellt.
Vermöchte nicht
Verdacht Dein Bild zu schwärzen,
Wärst König Du allein
im Reich der Herzen.
77. Southampton an
Elisabeth zur Vertheidigung
(121)
Weit lieber
schlecht sein, als für schlecht gehalten,
Wenn Nichtsein
Tadel wie das Sein empfängt
Und rechte Freuden,
weil für schlimm sie galten
in Andrer Aug’
(nicht unsrem!) sind verdrängt!
Was haben andre
Augen anzusprechen
mit
pflichtvergeßnem Wink mein rasches Blut!
Was spüren
Schwächere nach meinen Schwächen
Und nehmen gern für
schlimm, was mir scheint gut?
Nein! ich bin, der
ich bin; und sie, die hetzen
Auf meine Fehler,
stecken selber drin:
Grad mag ich sein,
sind sie auch krumm; nicht schätzen
Soll man sein Thun
nach ihrem faulen Sinn –
Es möchte denn zum
großen Übel passen:
Daß schlecht die
Menschen, schlecht ihr Tun und Lassen.
78. Southampton an
Elisabeth zur Versöhnung
(56)
Nimm, süße Liebe,
frische Kraft! Man sage
Nicht, daß Du
stumpfer als die Eßlust sei’st.
Die, heute nur
gestilt, am nchsten Tage
Zu alter Stärke
sich geschärft erweist.
So, Liebe, sei!
Gabst heut den Hungerblicken
Du sätt’gung, bis
Dein volles Aug’ fällt zu,
Sie morgen wieder
und laß’ nicht ersticken
Der Liebe Geist in
steter dumpfer Ruh!
Die traur’ge Pause
laß’ dem Meere gleichen,
Das Ufer trennt, zu
denen jeden Tag
Zwei Neuverlobte
hoffend niedersteigen,
Daß Wiedersehn der Lieb’
sie trösten mag;
Nenn’ sie auch
Winter, der, voll Gram und Thränen.
äßt Sommers Einkehr
dreifach uns ersehnen.
79. Southampton an
Elisabeth zur Versöhnung
(75)
Was Brod dem Leben,
was der würz’ge Regen
Dem Boden ist, bist
meinem Denken Du,
Und in mir kämpft
es Deines Friedens wegen,
Wie einem Geiz’gen
raubt sein Schatz die Ruh’:
Jetzt als Besitzer
stolz, und dann voll Sorgen,
Daß ihm das
dieb’sche Alter stiehlt sein Gut;
Jetzt gern mit Dir
in Einsamkeit verborgen,
Dann rufend alle
Welt im Übermuth;
Oft Deines Anblicks
voll bis zum Genügen,
Und dann nach einem
Blick verschmachtend schier;
Besitzend und
verfolgend kein Vergnügen,
Als was Du gabst
und man muß nehmen Dir.
So bin ich Noth und
Sätt’gung täglich leidend,
Verschlingend
Alles, oder Alles meidend.
80. Southampton an Elisabeth,
besorgend sie
möchte ihn verlassen.
(49)
Für jene Zeit, wenn
je sie kommen sollte,
Wo meine
Fehlermenge Dich verdrießt,
Wo Deine Lieb’ die
letzte Summe zollte,
Aus weiser
Rücksicht ihre Rechnung schließt;
Für jene Zeit, wo
fremd Du gehst vorüber
Und jene Sonn’,
Dein Aug’, mich grüßet kaum,
Wo Liebe ging in
andres Wesen über
Und wohlbegründet
giebt der Kälte Raum:
Für jene Zeit such’
hier ich meine Wehre
Im Unwerth, den ich
in mir selber fand;
Und daß das Recht
auf Deiner Seite, kehre
Ich gegen mich nun
diese meine Hand:
Mich zu verlassen,
darfst Du rechtlich wagen,
Weil ich nicht kann
zum Lieben dich verklagen.
81. Southampton an Elisabeth,
besorgend sie
möchte ihn verlassen
(88)
Wenn’s Dir gefallen
wird, mich zu verschmähen,
wenn mein Verdienst
Du giebst dem Spotte dar,
Will ich, mich
selbst bekämpfend, zu Dir stehen
Und Dich, die
Falsche, zeigen gut und wahr.
Da meine Schwächen
ich muß bestens kennen,
Kann ich zu Gute
Dir ein solch Gespinnst
Verborgner Fehler
schreiben, die mich brennen,
Daß Du, verlierend
mich, viel Ruhm gewinnst.
Und mir auch
bringt’s Gewinn; denn wenn ich schenke
Mein ganzes Sinnen
liebend Dir allein,
Wird aller Schimpf,
mit dem ich selbst mich kränke,
Da er Dir nützt,
mir zwiefach nützlich sein.
Ich lieb dich so,
ich bin Dir so zu eigen,
Daß für Dein Recht
ich Unrecht trag’ mit schweigen.
82. Southampton an Elisabeth,
besorgend sie
möchte ihn verlassen
(91)
Der rühmt sich der
Geburt, der des Verstandes,
Der seiner Leibeskraft,
der seines Werth’s,
Der seines häßlich
modischen Geandes,
Der seines Falken,
Hundes oder Pferd’s;
Und jene Laune hat
auch ihr Vergnügen,
Das sie zur
höchsten Freude sich ersah;
Doch solche Theile
sind mir kein Genügen:
In einem bessren
bessr’ ich alles ja!
Mehr als ein
Stammbaum ist mir Deine Liebe,
Macht reicher mich
als Kleiderpracht und Geld,
Ergötzt mich mehr
als Pferd und Jagdgetriebe;
Und hab’ ich Dich,
hab’ ich den Stolz der Welt –
Bedrückt durch das
allein, daß Du vernichten
Dies Alles kannst
und mich zu Grunde richten.
83. Southampton an Elisabeth,
besorgend sie
möchte ihn verlassen
(92)
Doch thu’ Dein
Schlimmstes. Dich mir zu entziehn:
So langg ich lebe,
bist du sicher mein!
Mit Deiner Liebe
wird mein Leben fliehen,
denn es beruht auf
dieser Lieb’ allein.
So muß ich nicht
vor größtem Leide bangen,
Da mir das kleinste
schon das Leben nimmt;
Ich seh’, daß ich
ein bessres Loos empfangen
Als eins, das Deine
Laune nur bestimmt.
Mich ärgert’s
nicht, wenn Du bist unbeständig:
An Deinem Abfall
hängt mein Leben. – Oh!
Welch’ schönes
Glück ist doch in mir lebendig:
Geliebt, so
glücklich; und zu sterben froh!
Doch giebts so
Schönes, dem nicht bangt vor Flecken?
Falsch magst Du
sein, und ich kann’s nicht entdecken.
84. Southampton an Elisabeth,
besorgend sie
möchte ihn verlassen
(93)
So lebe ich, da ich
für wahr Dich halte,
Getäuschten Gatten
gleich. So scheint mir noch
Der Liebe neu
Gesicht zu sein das alte,
Und weilt sie fern,
schenkt sie Dein Blick mir doch.
Denn Haß kann nicht
in Deinem Auge liegen;
Darum erkenn’ ich
da nicht den Verrath.
Auf mancher Stirn
gräbt sich in finstren Zügen
Und Furchen ein des
Herzens falsche That;
Doch als der Himmel
Dich schuf, wollt’ er sehen
Auf Deinem Antlitz
stets der Liebe Schein:
Was immer mög’ Dein
Geist, Dein Herz begehen,
Sollt’ Süßes nur in
Deinen Blicken sein.
Wie Deine Schönheit
Eva’s Apfel gleichet,
Wenn nicht Dein
Innres an Dein Äußres reichet!
85. Elisabeth
predigt Southampton Moral
(69)
Das, was von Dir das
Aug’ der Welt kann sehen,
Hat nichts, was
mangelhaft dem Herzen scheint;
Die Zungen –
Seelenstimmen – all’ gestehen
In Wahrheit dies.
So lobt Dich auch der Feind.
So sieht man äußres
Lob Dein Äußres krönen;
Doch jener Mund,
der so Dein Recht Dir bringt,
Vernichtet auch
dies Lob in andren Tönen,
Weil tiefer, als
das Auge sah, er dringt:
Er will die
Schönheit Deiner Seele lesen;
Und nun Dein Thun
befragend, wie sie sei,
Fügt streng sein
Geist, wie mild das Aug’ gewesen,
Geruch des Unkrauts
deiner Blume bei.
Doch daß Dein Duft
nicht gleichet Deinem Scheine,
Erklärt sich so: Du
sinkst in das Gemeine.
86. Elisabeth
predigt Southampton Moral
(94)
Wer Macht zu
schaden hat und übt doch keine,
Wer nicht thut, was
am meisten aus ihm spricht,
Wer andre rührt,
doch selbst ist gleich dem Steine,
Kalt, unbewegt und
folgt der Sünde nicht;
Der erbt mit Recht
des Himels holde Gaben,
Er schont und spart
die Schätze der Natur,
Sein Antlitz wird
ihn selbst zum Herren haben,
Wo Andre ihrer
Pracht Verwalter nur.
Dem Sommer ist ja
süß des Sommers Blume,
Wenn sie auch lebt
und stirbt für sich allein;
Doch steckt sie
Fäulnis an, wird ihrem Ruhme
Das schlechtste
Unkraut überlegen sein.
Das Süßeste
verdirbt am ärgsten: schlimmer
Als Unkraut
riecht#s, verwest der Lilie Schimmer.
87. Elisabeth
predigt Southampton Moral
(95)
Wie süß und
lieblich machst Du doch die Schande.
Die Deines Namens
Knospenreiz befleckt.
Dem Wurm gleich in
der Rose Duftgewande!
Oh, welche Süße
Deine Sünden deckt!
Die Zunge, die von
Dir erzählt Geschichten,
(Was sie mit
lockren Deuteleien thut)
Kann nur mit einer
Art von Lob Dich richten:
Dein Name macht die
üble Mähre gut.
Oh, welche Wohnung
fanden jene Fehler,
Die Dich zu ihrem
Horte ausersehn,
Wo
Schönheitsschleier jeden Makels Hehler
Und alles schön
wird, was nur zu erspähn!
Dies Vorrecht,
liebes Herz, bewahre besser,
Denn Mißbrauch
stumpfet ab das härtste Messer.
88. Elisabeth
predigt Southampton Moral
(96)
Bald heißt Dein
Fehler Übermuth, bald Jugend.
Bald nennt man Lust
und Jugend Deine Zier;
Doch Hoch und
Nieder liebet Fehl wie Tugend,
Denn jeder Fehler
wird zum Schmuck an Dir.
Wie an der Hand der
Königin das schlechte
Juwel man ehrt, so
werden eingesetzt
Die Fehler, die Du
zeigest, in die Rechte
Der Wahrheit undals
Wahres auch geschätzt.
Wie viele Lämmer
doch der Wolf betröge,
Könnt’ er zum Lamme
wandeln die Gestalt!
Wie vel Bewund’rer
es hinüber zöge.
Gebrauchtest Du all
Deiner Pracht Gewalt!
Doch thu’ das
nicht: ich lieb’ in solchem Sinne,
Daß ich in Dir auch
Deinen Ruf gewinne.
89. Der Dichter
trauert über Southampton’s Verirrungen
(67)
Warum, ach! sollt’
er in der Pestluft leben.
Mit sich zu
schmücken die Ruchlosigkeit,
Und zu der Sünde
Vortheil her sich geben,
Daß sie sich macht
mit seinem Umgang breit?
Warum ahmt Schminke
nach denn seine wangen
Und stiehlt vom
Lebensglanz sich todten Schein?
Warum sucht
dürft’ge Schönheit zu erlangen
Noch Schattenrosen?
sind doch ächte sein!
Warum noch lebt er,
da Natur, zu Ende,
Nicht mehr durch
Adern glüht mit rothem Blut?
Denn ihn nur hat
sie noch, der Vorrath spende,
Und lebt, eist
Vieler stolz, von seinem Gut.
Oh! ihn bewahrt
sie, um den Glanz zu zeigen,
Der, eh’ so schlimm
es kam, ihr war zu eigen.
90. Der Dichter
trauert über Southampton’s Verirrungen
(68)
So ist ein Bild er
aus verschwundnen Tagen,
Wo Schönheit, wie
jetzt Blumen, lebt’ und starb;
Bevor man ihren
Bastardschild getragen,
Und er lebend’ge
Stirn zum Sitz’ erwarb;
Eh’ man der Todten
goldne Locken raubte,
Die sind der Gräber
Theil, und leben ließ
Ein zweites Leben
sie auf zweitem Haupte;
Eh’ Andre ziert’
der Schönheit todtes Vließ.
In ihm sieht jene
alten, heil’gen Stunden
Man ohne Schmuck
und wahr; nicht haben die
Aus andrer Grün den
Sommer sich gewunden,
Nicht schmücken
seinen Reiz mit Altem sie;
und als ein Bild
will ihn Natur, drin lesen
Soll falsche Kunst,
was Schönheit einst gewesen.
91. Der Dichter
fordert Southampton auf,
sich mit Schreiben
zu versuchen
(77)
Wie Deine Reize
schwinden, zeigt Dein Spiegel,
Die Sonnenuhr, wir
Deine Stunden flieh’n;
Gieb diesen
Blättern Deines Geistes Siegel,
Und nimm’ vom Buche
dann die Lehre hin:
Die Furchen, die
Dein Glas Dir weist, sie gähnen
Dich an wie offne
Gräber, tief und weit;
Des Zeigers
Schattenraub lehrt dich: so dehnen
Die Zeiten diebisch
sich zur Ewigkeit.
Sieh, was
Erinnerung nicht kann bewahren,
Gieb diesen leeren
Blättern: Dieses zieht
Die Kinder auf, die
deines Geistes waren,
Bis er sie fast als
fremde wiedersieht.
Und Dieses wird, so
oft Du’s vorgenommen,
Dein Buch bereichern
und Dir selber frommen.
92. Southampton’s
Verzweiflung und
Abschied von
Elisabeth
(66)
Müd’ alles Dessen,
wünsch ich Todesruhe; -
Wie: Das Verdienst
zu ehn im Bettlerkleid,
Und dürft’ges
Nichts in prunkendem Gethue,
Und reinste Treu’
verletzt durch falschen Eid,
Und goldne Ehr#
auf#s Schändlichste verschwendet,
Und
Jungfrau’ntugend roh zu Fall gebracht,
Und recht
Vollkommnes ungerecht geschändet,
Und Kraft
geschwächt im Dienste lahmer Macht,
Und Wissenschaft im
Banne der Gewalten,
Und Kunst in
Narrheits doktorlicher Hut,
Und Einfalt für
Einfältigkeit gehalten,
Und Bös als Herr
bedient vom Knechte Gut:
Müd alles Dessen
wünscht’ den Tod ich, bliebe
Nicht, wenn ich
sterbe, einsam meine Liebe.
93. Southampton’s
Verzweiflung
und Abschied von Elisabeth
(87)
Leb’ wohl! Du bist
zu theuer dem Geringen
Und weißt wohl
auch, wie hoch die Welt Dich schätzt;
So mag den
Freibrief denn Dein Werth Dir bringen,
Mein Recht auf Dich
sei außer Kraft gesetzt!
Denn hielt’ ich
Dich, wenn’s nicht Dein Wille wäre?
Und wo ist mein
Verdienst um solches Glück?
So, da in mir des
Grundes ich entbehre
Für solch Geschenk,
fällt nun mein Recht zurück.
Du gabst Dich
selbst, verkennend Deine Größe,
Und irrtest im
Empfänger Dich; nun kehrt
Dein groß Geschenk,
gewachsen durch die Blöße,
Zurück, da eines
Bessern Du belehrt.
So hatt’ ich Dich
wie eines Traumes Gabe:
Im Schlaf so reich,
und wachend ohne Habe.
94. Southampton’s
Verzweiflung
und Abschied von
Elisabeth
(89)
Sag’, daß Du mich
verlaßen, weil ich schuldig,
Und ich will Schuld
gestehn; nenn’ Du mich lahm,
Und ich will hinken
gleich und will geduldig
Das sein, was sich
Dein Sinn zur Ausflucht nahm.
Du kannst,
Geliebte! mich nicht halb so schänden,
Um der gewünschten
Trennung Form zu leihn,
Wie selbst ich es will
thun; ich will vollenden
Den Mord der
Freundschaft, will Dir fremde sein
Und Deine Wege
fliehn; von meinem munde
Werd’ nie Dein
süßer Name mehr genannt,
Damit ich (zu
profan) ihn nicht verwunde,
Verrathend, daß wir
einstmals uns gekannt.
Für Dich, und gegen
mich, will Stand ich faßen,
Denn nie darf
lieben ich, wen Du willst haßen.
95. Southampton’s
Verzweiflung
und Abschied von
Elisabeth
(90)
So haß’ mich, wenn
Du willst, thu’s jetzt, wenn immer;
Beug’ jetzt mich;
schließ Dich an des Schicksals Groll,
Jetzt, wo die Welt
mein Thun kreuzt, denn weit schlimmer
Ist’s, wenn ich
später Dich verlieren soll!
Ach! komme nicht,
wenn kaum mein Herz geborgen,
Als Kummer, der im
Hinterhalte lag:
Auf Sturmesnacht
gieb’ nicht den Regenmorgen,
Um zu verzögern den
bedachten Schlag!
Willst Du verlassen
mich, wart’ nicht so lange,
Bis andrer,
kleinrer Schmerz sein Werk gethan:
Komm’ gleich
zuerst, daß ich zuerst empfange,
Was mir das
Schicksal Schwerstes bringen kann!
Und andres Leid,
das mich um Ziel erkoren,
Scheint Leid nicht
mehr, nachem ich Dich verloren.
96. Southampton an Elisabeth,
nach seiner
Rückkehr
(97)
Getrennt von Dir,
der Lust des flücht’gen Jahres,
Wie ward zum Winter
mir die bange Zeit!
Wie fror ich bis
in’s Herz, wie düster war es –
Dezembers kahle
Oede weit und breit!
Und war doch
Sommer, war im Herbst, dem reichen,
Dem
fruchtgeschwellten, der die Liebeslast
Des Frühlings
reifend trug, so zu vergleichen
Dem Witwenschoß,
deß Gatte früh verblaßt.
So sah ich denn in
diesem Zeugungssegen
Nur Waisenhoffnung,
vaterlose Frucht;
Denn Dir nur lacht
des Sommers Lust entgegen,
Kein Vogel, bist Du
fern, sein Lied verflucht;
Und singt er doch,
so ist’s so trüb, daß jähe
Das Grün erbleicht,
aus Furcht vor Winters Nähe.
97. Southampton an Elisabeth,
nach seiner
Rückkehr
(98)
Im Frühling bin ich
fern von Dir gewesen.
Als der April, mit
heitrem Putz geschmückt,
Goß Geist der
Jugend froh in alles Wesen,
Daß lacht’ und
hüpfte selbst Saturn entzückt.
Und doch ließ weder
froher Vögel Singen
Noch bunter Blumen
süßer Duft auch nur
Ein einzig
Sommermärchen mir gelingen,
Mich jene pflücken
auf der stolzen Flur:
Der Lilie weiß, es
hat mich nicht geblendet;
Der Rose tiefes
Roth, ich pries es nicht:
Das waren
Wonnebilder nur, vollendet
Nach einem Muster –
deinem Angesicht.
Mir schien es
Winter noch, und da du ferne,
Spielt ich, als
wär’s Dein Geist, mit diesen gerne:
99. Der Dichter an
Southampton,
nach längerem
Schweigen
(100)
Wo bist Du, Muse!
daß Du schweigst so lange
Von dem, was Quelle
Deiner Macht allein?
Tobst Du Dich aus
in niederem Gesange,
Verdunkelnd Dich,
um Schlechtem Glanz zu leih’n?
Vergeßliche,
herbei! ersetze wieder
In zarten Weisen
die verthane Zeit:
Dem Ohre sing’, dem
werthvoll Deine Lieder,
Das Deiner Feder
Kunst und Inhalt leiht.
Auf, träge Muse!
Mustre seine Züge,
Ob dort die Zeit
grub ihre Furchen schon;
wenn ja, verspotte
den Verfall als Lüge
Und übergieß’ den
Raub er Zeit mit Hohn.
Gieb Ruhm ihm
schneller, als die Zeit nimmt Leben;
Das wird ihm Schutz
vor ihrer Sichel geben,
100. Der Dichter an
Southampton,
nach längerem
Schweigen
(101)
Wie, träge Muse!
Machst Dein Übersehen
Schönheitsverklärter
Wahrheit Du wohl gut?
Wie Wahrheit,
Schönheit nur im Freund bestehen,
So thust auch Du, worauf
Dein werth beruht.
Gieb Antwort, Muse!
sagst Du wohl: „Dem Wahren,
Das Farbe hält, muß
man nicht Farbe leihn;
Des Schönen
wahrheit muß nicht offenbaren
Die Kunst erst;
Bestes ist am besten rein?“
Willst stumm du
sein, weil er kann lob entbehren?
Entschuld’ge Dich
nicht so! Daß goldne Pracht
Des Grabs er
überdauert, daß ihn ehren
Noch späte Zeiten,
liegt in Deiner Macht.
so, Muse! üb’ Dein Amt: ich will Dir sagen,
Wie Du ihn kannst
der Zukunft übertragen.
101. Der Dichter an
Southampton,
nach längerem
Schweigen
(102)
Scheint schwächer
meine Lieb’ auch – sie erstarte;
Ob man’s auch
wen’ger sieht – ich liebe mehr;
Zur Ware wir die
Lieb’, zählt auf dem Markte
Der Eigner ihre
Werthe prahlend her.
Noch neu war unsre
Lieb’, in Frühlingstagen,
Als ich begrüßte
sie mit Liederklang,
Wie Nachtigallen
vor dem Sommer schlagen,
Und wenn die Reise
naht, schweigt ihr Gesang:
Nicht daß der
Sommer jetzt so schön nicht wäre,
Als da zur Ruhe sie
geklagt die Nacht;
Doch drückt jetzt
jeden Zweig der Töne Schwere,
und reizlos wird
des Süßen Übermacht:
Darum, wie sie,
schweig’ ich zu Zeiten wieder,
Damit Dich nicht
ermüden meine Lieder.
102. Der Dichter an
Southampton,
nach längerem
Schweigen
(103)
Wie arm, ach! meine
Muse sich gestaltet;
Daß, wo sie prunken
kann auf solchem Feld,
Der nackte Stoff
weit größern Werth entfaltet,
Als wenn er noch
mein Lob dazu erhält!
Oh! tadle nicht,
wenn mir die Kraft entschwunden,
Schau in den
Spiegel, sieh ein Antlitz dort,
Das übertrifft, was
stumpf mein Geist erfunden,
Das mich beschämt
und blöde macht mein Wort.
Ja! wär’s nicht
Sünde, wenn, was schon vollkommen,
nun schlechter
machte eitle Bessrungswuth?
Soll doch mein Lied
nur Deinem Ruhme frommen,
Verkünd’gend, was
in Dir so schön und gut.
Und mehr, weit mehr
als meine Lieder fassen,
Wird Deinen Blick
dein Spiegel sehen lassen.
103. Der Dichter an
Southampton,
nach längerem
Schweigen
876)
Warum ist mein
Gedicht dasselbe immer
Und zeigt nicht
Wechsel und Veränderung?
Warum schau’ ich
nicht aus nach fremdem schimmer,
Nach neuer Art,
seltsamem Redeschwung?
Warum schreib’ ich
nur Eins und stets nur Dieses
Und leih’ bekanntes
Kleid der Phantasie,
Daß jedes Wort
beinah mich nennt, als ließ’ es
Erkennen, wer es
schuf und wie’s gedieh?
Oh, wise, Freund!
Daß ich in Dir nur finde
Den Stoff, der mich
begeistert zum Gesang;
So ist mein Bestes,
daß ich neu verbinde,
Was mir in Worten
aus dem Herzen drang.
Wie täglich neu und
alt das Licht der Sonnen,
Fließt Altes neu
aus meiner Liebe Bronnen.
104. Der Dichter an
Southampton,
nach längerem
Schweigen
(108)
Was läßt sich
denken und mit Tinte schreiben,
Das nicht mein
treuer Geist Dir schon beschrieb?
Was ist in Wort und
Bild noch aufzutreiben,
Das schildre Deinen
Werth und meine Lieb?
Nichts, süßes Herz!
Doch muß Dasselbe, Eine
Ich tagtäglich
wiederholen, wie Gebet;
Da ist nichts alt:
Du mein und ich der Deine,
Wie da zuerst mein
Lied für Dich gefleht;
So daß die ew’ge
Lieb’, stets neu entglommen,
Nicht auf des
Alters Staub und Raub giebt Acht,
Noch vor den Runzeln
flieht, die müssen kommen,
Nein, sich das
Alter selbst zum Sklaven macht;
Damit der Liebe
neue Keime sprießen,
Wo Zeit und Äußres
sonst sie sterben ließen.
105. Der Dichter an
Southampton,
nach längerem
Schweigen
(105)
Laßt meine Liebe
nicht Vergött’rung nennen,
Stellt den
Geliebten nicht als Abgott dar,
Weil meine Lieder
einen Stoff nur kennen:
Ihn selbst, ihn
nur, ihn noch, ihn immerdar.
Gut ist er heute,
morgen, alle stunden,
Stets gleich in
wunderbarer Trefflichkeit;
Da nun mein Vers an
Treue so gebunden
Und Eins nur
spricht, fehlt ihm Verschiedenheit.
Schön, gut und
wahr, das ist’s was ich besinge,
Schön, gut und
wahr, bald so, bald so erklärt;
Daß wechelnd er die
drei in Eins verschlinge,
Übt sich mein
Geist, was Wunder ihm gewährt.
Schön, gut und
wahr, sie wohnten oft alleine;
Doch ah man nie,
bis jetzt, sie im Vereine!
106. Southampton an Elisabeth;
Bekenntnisse und
Aussöhnung
(109)
Oh! falsch und
treulos mußt Du mich nicht nennen,
Obgleich, abwesend,
ich Dir so erschien!
Ich könnte leichter
von mir selbst mich trennen,
Als meiner seele,
die in Dir, entfliehn!
Dort ist mein
Liebesheim. Zog ich Dir frne,
Dem Wandrer gleich,
komm’ ich zur rechten Zeit,
Derselbe noch,
zurück und halte gerne
Für meinen Flecken
wasser selbst bereit.
Ob auch in mir
regierten alle Schwächen,
Die stürmen ein auf
aller Menschen Blut, -
Glaub’ nie, daß sie
mich führten zum Verbrechen,
Für nichts zu geben
Dich, mein reichstes Gut!
Ja, nichts ist mir
die Welt, die grenzenlose:
In ihr bist alles
Du mir, meine Rose!
107. Southampton an Elisabeth;
Bekenntnisse und
Aussöhnung
(110)
Ach ja! s’ ist
wahr, bunt wie des Narren Fetzen,
Bald hier bald
dort, war ich zu sehn; das Herz
Befleckt’ ich mir,
warf fort, was höchst zu schätzen,
Und schuf der Liebe
neu vergangnen Schmerz.
Wahr ist’s, ich sah
die Wahrheit und die Tugend
Nur schief und
fremd an; doch ich schwör’s, es gab
Dies Irren meinem
Herzen neue Jugend:
Ich fand, daß ich
in Dir das Beste hab’!
Nun ist#s vorbei,
Dir sei was bleibt für immer;
Nie richt’ ich mehr
auf Neues meinen Sinn,
Und, die sich
längst bewährt, versuch’ ich nimmer,
Dich, Gott in
Liebe, der ich eigen bin.
So nimm, die meinem
Himmel gleicht alleine,
Mich an Dein Herz,
das liebe, treue, reine.
108. Southampton an Elisabeth;
Bekenntnisse und
Aussöhnung
(111)
Oh, zürn’ Fortunen,
meiner missethaten
Verschulderin; hat
doch gestoßen die
Mich auf den Markt
des Lebens, wo gerathen
Die Sitten frei und
roh! Ja, daher, sieh!
Kommt’s, daß mein
Name trägt der Schande Zeichen,
Das läßt mein
Wesen, wie des Färbers Hand,
Beinahe dem, worin
es wirkte, gleichen;
Hab’ Mitleid denn
und wünsch’ mich umgewandt!
Ich, wie ein guter
Patient, will Süße
Von Essig trinken
gegen meine Schmach:
Nichts Bittres acht
ich bitter; gerne büße
Ich doppelt, bessert
es die Bess’rung nach.
Hab Mitleid denn,
mein Lieb, und Du wirst ehen,
Dein Mitleid schon
läßt mich geheilt erstehen.
109. Southampton an Elisabeth;
Bekenntnisse und
Aussöhnung
(112)
Dein liebend
Mitleid tilgt das Mal, das brannte
Auf meine Stirne
Pöbelschimpf. Ach! sprecht
Gut oder5 schlimm,
wenn sienur anerkannte
was gut in mir, und
übergrünt was schlecht!
Du, meine Welt!
Dein mund soll mich belehren,
Wo ich zu tadeln,
wo zu loben bin;
Sonst kann zum
Guten oder schlechten kehren
Kein Andrer je mir
den gestählten Sinn.
In solchen Abgrund
will die Sorg’ ich senken
Um Andrer Rede, daß
mein Natternohr
Nicht Kritiker noch
Schmeichler wieder kränken.
Sieh, wie ich ihrer
Unbill komm’ zuvor: -
Du bist verwachsen
so mit meinem streben,
Daß mir die ganze
Welt scheint todt daneben.
110. Southampton an Elisabeth;
Bekenntnisse und
Aussöhnung
(117)
Beschuld’ge mich,
daß ich so karg genesen
Den Lohn für Dein
Verdienst, daß ich erneut
Nach Dir,
Geliebteste, zu seh’n, vergessen
Was höchste Pflicht
mir täglich doch gebeut;
Daß Du mich oft auf
fremder spur betrofen,
Und ich der Zeit
Dein theures Recht verschenkt,
Daß ich mein Segel
jedem Wind hielt offen,
Der mich am
Weitsten von Dir weg gelenkt:
Schreib’ meinen
Trotz und meine Fehler nieder,
Vermuthetes füg’
zum bewies’nen Theil,
Und richt’ auf mich
den finstern Blick dann wieder,
Doch schieß’ nicht
ab den haßbeschwerten Pfeil –
Dies ruf’ ich an:
Ich war bemüht, zu zeigen,
Wie Kraft und Treue
Deiner Lieb’ zu eigen.
111. Southampton an Elisabeth;
Bekenntnisse und
Aussöhnung
(118)
Wie man, um seinen
Appetit zu mehren,
Dem Gaumen
schärfere Gerichte beut,
Um unerkannte
Krankheit abzuwehren,
Sich selber krank
zu machen sich nicht scheut,
Hab’ ich, voll
Deiner nie zu reichen Süße,
In bittre Brühen
meine Kost getauscht,
Gut findend, daß
ich schon die Sätt’gung büße
Durch Krankheit,
eh’ ich wirklich es gebraucht.
So hat die
Liebeslist, sich schon zu weiden
An Übeln, die nicht
sind, erst Leid gebracht
und krank gemacht
Gesundes, das durch Leiden
Vom Übermaß zu
heilen sich gedacht.
Doch das zeigt mir
– und wahr find’ ich die Lehre –
Daß gegen Dich
Arznei wie Gift mir wäre!
112. Southampton an Elisabeth;
Bekenntnisse und
Aussöhnung
(119)
Wie schlürft’ ich
Becher voll Sirenenthränen,
In Kolben, die wie
Hölle trüb, gebraut,
Mit Furcht die
Hoffnung bindend, Angst mit sehnen,
Verlierend selbst,
wenn ich Gewinn geschaut!
Wie elend war mein
Herz in Trug befangen,
Wenn es sich
glücklich wie noch nie geschätzt!
Wie meine Augen aus
den Sphären sprangen,
Von Fieberwahn und
Raserei gehetzt!
Wohlthat des Übels!
daß das Schlimmste eben
Das Bessre bessert
noch, wird jetzt mir klar:
Zerstörte Liebe,
neu erbaut, wird heben
Sich schöner,
stärker, größer, als sie war.
So werd’ zufrieden ich,
durch Noth belehret,
Die mir der Lehre
Preis dreifach gewähret.
113. Southampton an Elisabeth;
Bekenntnisse und
Aussöhnung
(120)
Daß Du einst
lieblos, mag jetzt gern ich sehen,
Und um die damals
ausgestandne Qual
Muß ich mich beugen
unter mein vergehen,
Ich hätte Nerven
denn von erz und Stahl.
Denn, wenn Du meine
Härte so empfunden
Wie Deine ich,
hätt’st Du jetzt Höllenzeit;
Und ich Tyrann hab’
Muße nicht gefunden,
Zu wägen einst um
Dich getragnes Leid!
Oh! hätt’ ich an
des wahren Kummers Schmerzen
In unsrer Nacht des
Grames doch gedacht,
UND Dir, wie Du
einst mir, der wunden-Herzen
Geschickten Balsam,
Demuth, darghebracht!
Nun werde Schuld
zum Lösegeld: Durch meine
Kauf’ ich Dich
frei; so kauf’ mich frei durch deine!
114. Der Dichter
feiert Southampton’s
Vermählung mit
Elisabeth
(116)
Die einigung, die
treue Herzen bindet,
Verhindert nichts:
Lieb’ ist nicht Liebe ja,
Die ändrt, wenn
Veränderung sie findet,
Und gleich
entweicht, wo Abbruch ihr geschah:
Oh nein! sieist der
Markstein auf dem Riffe,
Der unerschüttert
über Stürmen steht,
Der irren Barke
Stern, von dem, begriffe
Man auch die Höh’,
man nie den Werth erräth.
Mag auch die Zeit
auf Lipp’ und Wange mähen
Den Rosenflor – ihr
Narr ist Liebe nicht;
Die Liebe bleibt,
wie schnell die Stunden gehen,
Und lebt und dauert
aus bis zum Gericht.
Ist falsch dies;
kann’s an mir bewiesen werden:
Dann schrieb ich
nie; dann gab’s nie Lieb’ auf Erden!
115. Der Dichter an
Southampton,
über seinen eigenen
Tod
(71)
Nicht länger sollst
Du meinen Tod beklagen,
Als Du der finstern
Glocke düstern Ton
Hörst durch die
schlechte Welt die Kunde tragen,
Daß zu den
schlechtsten Würmern ich geflohn.
Ja enn Dein Auge
ruht auf diesen Zeichen,
Denk’ nicht des
Schreibers Du, der so Dich liebt,
Daß her soll sein
Bild in Dir verbleichen,
Als daß Erinn’rung
dann Dir Kummer giebt.
Erblickest Du, wenn
ich zu staub verdorben,
Dies wort dereinst,
so kenn’ mich nicht, oh nein!
Und nenn’ auch
meinen Namen nicht: gestorben
Mit meinem Leib
soll Deine Liebe sein;
Damit die weise
Welt es nicht erspähe,
Daß Du im herzen
birgst um mich ein Wehe.
116. Der Dichter an
Southampton,
über seinen eigenen
Tod
(72)
Damit die welt nicht etwa wünscht zu wissen,
was in mir lag, das
noch nach meinem Tod
Dir werth, sei zu
vergessen mich beflissen,
Da ich doch nie Dir
Liebenswerthes bot;
Du müßtest denn
rsinnen zarte Lüge,
Die mehr als
eigenes Verdienst mich ehrt’
Und größres Lob zu
meinem Grabe trüge,
Als mir die geiz’ge
Wahrheit gern gewährt.
Daß Deine wahre Lieb’
nicht unwahr werde,
Indem aus Lieb’ sie
falschen Ruhm mir leiht,
Laß meinen Namen
ruhen in der Erde,
Daß er nicht ferner
Dich und mich entweiht.
Denn Schande macht
mir das, was ich geschrieben,
Und Dich
beschämt’s, solch werthlos Ding zu lieben.
117. Der Dichter an
Southampton,
über seinen eigenen
Tod
(73)
In mir magst Du die
Jahreszeit erblicken,
Wo kaum ein Blatt
noch, oder keins mehr, hält
An jenen Zweigen,
die im Froste nicken,
Zerfallne Dome,
einst der Vögel Welt.
Ich bin des Tages
Zwielicht, der zerfließet
Gen Westen hin,
nachdem die Sonne sank,
Bis schwarze Nacht,
der andre Tod, der schließet
In Ruhe Alles, ganz
sein Leben trank.
ich bin ein Feuer,
dessen letzte Flammen
Auf seiner Jugend
Asche still verglühn,
Dem Sterbebett, auf
dem es fällt zusammen,
Durch das verzehrt,
was Nahrung ihm verliehn.
So fliehst Du mich
und wirst Dich drum entscheiden,
Das recht zu
lieben, was Du bald mußt meiden!
118. Der Dichter an
Southampton,
über seinen eigenen
Tod
(74)
Doch sei zufrieden:
wenn mich voller Tücke
Der Häscher ohne
Bürgschaft von Dir treibt,
Läßt Dir mein Leben
Etwas doch zurücke
In diesem Vers, der
Dir als Denkschrift bleibt.
Dies überschauend
wird Dein auge hangen
An eben dem, was
ich geweihet Dir.
Die erde kann mit
Recht nur Erd’ empfangen;
Dein ist mein
geist, der bessre Theil von mir:
So büßest Du durch
meines Leibes Sterben
Nur Lebenshefe,
Raub der Würmer ein,
Was eines Wichtes
Stahl wird feig’ erwerben –
Für Dein Erinnern
ja viel zu gemein!
In seinem Inhalt liegt
sein Werth; den geben
Dir diese Zeilen
die mich überleben.
119. Der Dichter an
Southampton,
über seinen eigenen
Tod
(63)
Wird meinen Freund
erdrückt, gebrochen haben
Die Hand der Zeit
wie mich, der Stunen Macht
Sein Blut vertrocknet,
Furchen eingegraben
In seine Stirne;
wenn zur jähen Nacht
Des Alters ist
gelangt sein junger morgen,
Und alle schönheit,
der er jetzt befiehlt,
Verschwindend, oder
schon dem Blick verborgen,
Hinweg die Blüthe
seines Frühlings stiehlt –
Für jene Zeit, zur
Abwehr jener Tage.
Daß nie des Alters
grausam Messer sich
An die Erinn’rung
seiner Schönheit wage,
Ob’s auch sein
Leben nehme, sage ich:
Aus diesen
schwarzen Zeilen strahl’ für immer
In frischer Jugend
seiner Schöner Schimmer!
120. Der Dichter an
Southampton,
über seinen eigenen
Tod
(81)
Ich werde Deine
Grabschrift schreiben, oder
Du lebst noch, wenn
ich längst der Würmer Fraß.
Hier spottet Dein
Gedächtnis Tod und Moder,
Ob auch von mir man
jeden Theil vergaß.
Durch dieses hat dein
Name ew#ges Leben,
Ob auch, wenn todt,
ich todt für Welt und Zeit:
Die erde, kann mir
erden Grab nur geben,
Dir ist das
Menschenaug’ zur Gruft geweiht:
Dein Denkmal wird
mein Vers sein; denn ihn lesen
Einst Augen, denen
noch kein Strahl erschien,
Und künft’ge Zungen
schildern sich Dein Wesen,
Wenn alle Athmer
dieser Welt dahin.
Du wirst stets sein
(durch meines Kieles Kunde)
Wo stärkster Athem
weht: im Menschenmunde!
121. Southampton
aus dem Tower an seine Gemahlin
(123)
Nein, Zeit! Du
sollst nicht, daß ich wechsle, sagen;
Die Pyramiden, die
Du neu erbaut,
sind mir nichts
Neues; frisch nur aufgetragen
seh’ ich, was eine
früh’re Zeit geschaut.
weil unsre Tage
kurz, stellt uns zufrieden
Das Alte, das Du
bringst, und, leicht bethört,
sehn wir nach unsem
Wunsch es so beschieden
Und denken nicht,
daß wir es schon gehört.
Ich spotte Dein und
Deiner Feder Züge,
Bewundre nicht was
ist, und nicht was war;
was Du verzeichnet,
was wir sehn, ist Lüge,
Groß oder klein,
wie’s Deine Hast gebar.
Drum schwör’ ich
Dies, und werd’ es immer halten:
Treu will ich sein
trotz Dir und Deinem Walten!
122. Southampton
aus dem Tower an seine Gemahlin
(124)
Wär’ meine Lieb’
ein Kind des Staat’s nur, bliebe,
Bastard des
Schickals, jetzt verwaist sie ganz,
Zum Spiel dem Haß
der Zeit und ihrer Liebe;
Unkraut beim
Unkraut, oder Blum’ im Kranz.
Nein! weit vom
Zufall ist ihr Bau gelegen,
Sie leidet nicht
vom Pomp, noch wird gefällt
Sie von des
unterdrückten Grolles Schlägen,
Wohin die Zeit
jetzt ruft die noble Welt:
Die Ketz’rin
Politik macht ihr nicht Sorgen,
Die nur auf Fristen
kurzer Stunden läuft:
Allein ragt sie,
politisch sehr; geborgen,
Daß Hitze sie nicht
treibt, Sturm nicht ersäuft.
Deß, Narrn der
Zeit! müßt ihr mir Zeugniß geben,
Sie sterben brav
nach sündenvollem Leben.
123. Southampton
aus dem Tower an seine Gemahlin
(125)
Was hätt’ ich,
könnt’ den Baldachin ich breiten
Und ehrte äußerlich
die Außenwelt
Und schüfe Großes
für die ewigkeiten,
Das kürzer dauert,
als Ruin zerfällt?
sah’ ich’s doch: Form-
und Gunstanbeter büßen
Durch zu viel Zins
ihr alles, mehr noch, ein;
Verlieren reine
Lust um falsche süßen –
Glückspilze,
stürzend in der Jagd nach schein!
Nein! laß mich treu
in Deinem Herzen leben,
Nimm meine Gabe –
arm doch frei – die sich
Nichts Andres
beimischt und nichts kennt, als Geben,
Sich gegenseitig
geben, mich für Dich!
Fort! feiler
Kläger! Treue Seelen achten
Um mind’sten Dein,
wenn sie am tiefsten schmachten.
124. Der Dichter an
Southampton im Gefängniss
(115)
Nicht wahr ist, was
ich schrieb, selbst Jenes: theuer
Seist Du mir so –
Du könntest’s mehr nicht sein.
Doch wüßt’ ich
nicht, warum mein mächtig Feuer
Sollt’ später
brennen mit noch hellerm schein.
Und denkend, wie
die Zeit auf tausend Arten
Schleicht zwischen Schwüre,
ändert königswort,
Bringt Schönheit
Flecken, schärfsten Vorsatz Scharten,
Reißt Starke zu der
Dinge Umsturz fort –
Ach! fürchtend so
die Zeit, durft’ ich nicht sagen:
„Jetzt lieb’ ich
Dich am meisten“, als erfüllt
Ich Ungewisses sah
und jenen Tagen
die Krone gab, weil
Künft’ges stand verhüllt?
Ein Kind ist Liebe,
durft’ ich drum nicht leihen
Vollkommenheit ihr,
die noch im Gedeihen?
125. Der Dichter an
Southampton,
bei dessen
Befreiung aus dem Tower
(107)
Nicht meine Furcht,
noch das prophet#sche ahnen
Der weiten Welt,
die von dem Künft’gen träumt,
Kann mich an’s ende
meine Liebe mahnen,
Der man so kurze
Dauer eingeräumt.
Des ird’schen Monds
Verfinstrung ist ertragen;
Jetzt lachen sie,
die kündeten gefahr;
Gewißheit krönet
all’ die bangen fragen,
Und ew’gen Oelzweig
beut der Friede dar.
Erfrischt von
dieser Wonnezeiten Schauern
seh’ ich den
Freund, und mir gehorcht der Tod;
Denn trotz ihm will
in meinem Lied ich dauern,
Wenn stummen Haufen
er Verichtung droht.
Dies wird Dein
Denkmal sein, wenn längst zerfallen
Tyrannenkronen,
erzne Grabeshallen.
126. Southampton
entschuldigt sich bei Elisabeth
über das
Wegschenken des Sonettenbuches
(122)
Die Blätter, Dein
Geschenk, sind eingegraben
In mein Gedächtniß
fest für alle Zeit
Und werden dort ein
längres Leben haben,
Als jener sang, den
Muße hat gereiht:
Ein ew’ges, oder
doch so langes Leben,
Wie Geist und Herz
gewährt ist der Natur;
Eh’ diese dem
Vergeßen müßen geben
Ihr Theil von Dir,
vergeht nicht Deine Spur.
Dies arme Kästchen
könnt’ so viel nicht fassen,
Noch brauch’ ein
Kerbholz ich für meine Lieb’;
Drum gab ich’s weg,
um ganz mich zu verlassen
Auf jene Blätter,
wo viel mehr ich schrieb:
Gehülfen halten, um
an Dich zu denken,
Das hieß’
Vergeßlichkeit in’s Herz mir senken.
Sonette